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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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noch ungeschliffen sind?« fragte Brunetti. »Die da haben doch noch gar keine - wie heißt das gleich? - Facetten.«
    »Die Facetten kommen später, Guido. Bei einem Rohdiamanten, der nicht vollkommen ist, legt man erst gar keine Facetten an. Das heißt, versuchen kann man es schon, aber nur ein makelloser Stein erhält durch den Schliff die gewünschte Leuchtkraft.« Claudio strich mit ausladender Geste über die Steine hinweg. »Bis jetzt habe ich nur ein halbes Dutzend geprüft. Das hast du ja gesehen. Aber diese sechs scheinen mir makellos zu sein - oder wenigstens von ausgezeichneter Qualität. Natürlich kann ich nicht dafür garantieren; schon gar nicht, ob sie, einmal geschliffen und poliert, lupenrein sein werden, aber ich halte es für sehr wahrscheinlich.« Sein Blick schweifte kurz ab und glitt über die Wand hinter Brunetti, dann sah er den Commissario wieder an und deutete abermals auf die sechs ausgesuchten Steine. »Es hängt nicht zuletzt von der Kunstfertigkeit des Diamantenschleifers ab. Ob er das, was im Material steckt, auch herausholt.«
    Als reize es ihn plötzlich, die Steine noch einmal zu prüfen, griff Claudio nach der Lupe, stellte sie wieder ein und untersuchte zum zweitenmal alle sechs Rohdiamanten, der Reihe nach von links nach rechts. Zwischendurch tastete er nach der Pinzette, drehte einen der Steine um und betrachtete ihn aus diesem neuen Blickwinkel. Danach legte er die Lupe wieder haargenau an ihren Platz und nickte, wie um eine Frage zu bejahen, die Brunetti gar nicht gestellt hatte. »Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal solche Prachtexemplare gesehen habe.« Dabei pickte er mit der Pinzette noch ein paar Steine aus dem Häuflein, an denen Brunetti wieder nichts Besonderes zu erkennen vermochte.
    »Können Sie annähernd - und natürlich ganz unverbindlich - sagen, was sie insgesamt wert sind?« fragte der Commissario.
    »Schau sie dir doch erst einmal richtig an!« versetzte Claudio, und seine Augen funkelten vor Leidenschaft. Dann schien er aber doch zu begreifen, wie dringlich die Sache für seinen Freund war, und stellte sich ein auf die Welt, in der Diamanten nicht nur Schönheits-, sondern auch Handelswert besaßen. »Also die großen Steine könnten, geschliffen und poliert, je dreißig- bis vierzigtausend Euro wert sein. Hängt ganz davon ab, wieviel bei der Verarbeitung verlorengeht.« Claudio nahm einen der Rohdiamanten und bot ihn Brunetti auf der flachen Hand dar. »Wenn man daraus lupenreine Brillanten machen kann, dann sind sie ein Vermögen wert.«
    Wenn das so ist, dachte Brunetti, was hatten die Steine dann in einer ungeheizten, zugigen Dachkammer ohne Wasseranschluß zu suchen? Und wie kamen sie in den Besitz eines Mannes, der seinen Lebensunterhalt damit fristete, auf der Straße gefälschte Markenlederwaren feilzubieten?
    »Woran erkennen Sie, daß die Steine aus Afrika stammen?« fragte Brunetti.
    »Gesicherte Anhaltspunkte dafür gibt es nicht«, räumte Claudio ein. »Aber ich würde trotzdem darauf tippen.«
    »Und wieso?«
    Die Frage hörte der erfahrene Juwelier offenbar nicht zum erstenmal. »Es hat mit der Farbe zu tun«, erwiderte er zögernd, »und mit der Leuchtkraft des Steins oder seiner natürlichen Reflexion. Außerdem fehlen Einlagerungen und Unreinheiten, wie sie für Diamanten aus anderen Herkunftsregionen typisch sind.« Claudios Blick wanderte von Brunetti zurück zu den Steinen. »Wirklich schlüssig kann ich es dir, um ehrlich zu sein, wohl nicht begründen. Aber wenn man Tausende, womöglich Hunderttausende von Steinen geprüft hat, kriegt man einfach ein Gespür dafür.«
    »So viele sind schon durch Ihre Hände gegangen, Claudio?«
    Der alte Mann richtete sich in seinem Sessel auf, auch wenn ihn das nicht größer machte, und faltete die Hände nach Professorenart. »Darüber habe ich nie Buch geführt, Guido, es war nur so dahingesagt - trotzdem dürfte es hinkommen. Ja, durch meine Hände sind unzählige mickrige, fehlerhafte Steine mit grade mal einem Sechzehntelkarat gegangen, ebenso wie ein paar rare Glücksfunde, die über dreißig, vierzig Karat wogen und so vollkommen waren, daß man das Gefühl hatte, neue Gestirne zu schauen.« Claudio hielt inne und legte den Kopf schief, als lausche er seinen eigenen Worten nach. Dann fügte er lächelnd hinzu: »Weißt du, es ist ein bißchen wie mit den Frauen. Ihr Aussehen ist im Grunde gar nicht so entscheidend, denn irgend etwas an ihnen ist immer wunderschön.«
    Brunetti

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