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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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abzuholen. Im nachhinein meinte er, er habe schon Bescheid gewußt, als er den Tresor öffnete und die Schatulle herausnahm; ja, da sei ihm ein Licht aufgegangen, auch wenn er es nie für möglich gehalten hätte, daß jemand imstande sein könnte, die Kästchen, aller Wachsamkeit zum Trotz, vor seinen Augen zu vertauschen. Diesen beiden war es dennoch gelungen.
    Nachdem er Brunetti auch noch gestanden hatte, wie viel die Steine wert waren, hatte Claudio ihn zum Stillschweigen verpflichtet: Seine Frau durfte nichts wissen von seinem sträflichen Leichtsinn, die Schmach hätte er nicht ertragen; ebensowenig wie die ihre, falls sie erfahren hätte, daß die freundlichen Coupénachbarn, denen sie auf einer Bahnfahrt so stolz von ihrem Mann erzählt hatte, ebenjene Gauner waren, die sich bei ihm eingeschlichen hatten, um ihn zu berauben.
    Daß die Täter später gefaßt und eingesperrt wurden, brachte Claudio auch keine Genugtuung, denn da hatten die beiden ihre Beute längst in diversen europäischen Kasinos verspielt. Und seine Versicherung weigerte sich zu zahlen, weil er es bei Abschluß der Police versäumt habe, eine vollständige Liste der in seinem Besitz befindlichen Steine mit Herkunfts-, Preis-, Gewichts- und Schliffangaben vorzulegen. Daß Claudio als Großhändler Tausende von Steinen vorrätig hatte und Monate für eine solche Inventaraufstellung gebraucht hätte, ließen die Versicherungsbosse nicht als Einwand gelten.
    All diese Erinnerungen stürmten auf Brunetti ein, während Claudio ihn den Flur entlang zu seinem Büro geleitete. »Darf ich dir etwas zu trinken anbieten, Guido?« fragte der alte Herr, sobald sie eingetreten waren.
    »Im Moment nicht, Claudio. Ich habe vorhin erst einen Kaffee getrunken. Vielleicht nachher, wenn wir fertig sind.« Brunetti wußte aus langer Erfahrung, daß Claudio nicht Platz nehmen würde, solange sein Gast noch stand. Also zog er einen Stuhl heran, setzte sich und nahm die Aktentasche zwischen die Beine.
    Nun erst ließ auch Claudio sich hinter dem Schreibtisch nieder. Er faltete die Hände, beugte sich vertraulich nach vorn und fragte: »Wie geht's Paola und den Kindern?«
    »Danke, alle wohlauf.« Die Antwort war Teil eines eingespielten Rituals, ohne das kein Gespräch zwischen den beiden denkbar gewesen wäre. »In der Schule oder an der Uni gibt's keine Probleme. Nicht mal bei Paola«, setzte Brunetti lachend hinzu. »Und Elsa?« erkundigte er sich nun seinerseits.
    Claudio legte den Kopf schief und verzog das Gesicht. »Mit ihrer Arthritis wird es immer schlimmer. Nun sind schon die Hände betroffen. Aber sie beklagt sich nie. Jemand hat uns einen Arzt in Padua empfohlen, bei dem ist sie jetzt seit einem Monat in Behandlung. Er verschreibt ihr ein amerikanisches Medikament, das, so scheint es, auch wirklich anschlägt.«
    »Ach, das wünsche ich ihr«, beteuerte Brunetti. »Und Riccardo?«
    »Der ist zufrieden, arbeitet tüchtig und macht mich im Juni zum dritten Mal zum Großvater.«
    »Er oder Evvie?«
    »Beide gemeinsam, hoffe ich«, gab Claudio schmunzelnd zurück.
    Nachdem der Höflichkeit Genüge getan war, fragte Claudio: »Was führt dich zu mir, Guido?« Aus alter Gewohnheit vergeudete er keine Zeit, sondern kam - abgesehen von dem unumstößlichen Artigkeitsritual zu Beginn - ohne Umschweife zur Sache. Und das, obwohl sein Leben seit ein paar Jahren gemächlicher verlief und er heutzutage so viel Zeit hatte, daß es ihm eigentlich ganz lieb gewesen wäre, etwas davon zu verschwenden.
    »Ich habe da ein paar Steine gefunden«, sagte Brunetti. »Und ich wüßte gern, was Sie davon halten.«
    »Was denn für Steine?« fragte Claudio.
    »Warten Sie, ich zeige sie Ihnen.« Brunetti bückte sich nach seiner Aktentasche, holte erst den Plastikbeutel mit Vianellos Fäustlingen, dann sein zusammengeknotetes Taschentuch heraus und legte beides auf den Schreibtisch. Gespannt, aber auch ein wenig verwirrt sah Claudio ihm zu.
    Brunetti begann mit dem Taschentuch: Mit den Fingernägeln nestelte er den ersten Knoten auf, löste dann den zweiten, ließ die Zipfel auf die Schreibtischplatte gleiten und schob das Tuch zu Claudio hinüber. Anschließend zog er die Fäustlinge aus dem Plastikbeutel und leerte ihren Inhalt über das Häufchen auf dem Taschentuch. Ein paar Steine machten sich selbständig und kullerten über die Tischplatte, doch Brunetti fing sie ein und legte sie wieder zu den übrigen. »Nun, Claudio, was halten Sie davon?«
    Claudio, der in seinem Leben

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