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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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konnten, seine Wirkung aber doch um einiges schmälerten.
    Brunetti grüßte die beiden betont beiläufig und erkundigte sich bei Signorina Elettra, ob sie den Artikel aus dem Gazzettino über den ehemaligen Direktor des Casinòs schon gefunden habe. Und obwohl er diese Recherche aus dem Stegreif erfunden hatte, um sein Erscheinen im Sekretariat zu begründen, bejahte Signorina Elettra ohne Zögern und reichte ihm einen Schnellhefter von ihrem Schreibtisch.
    »Ach, Brunetti, woran arbeiten Sie eigentlich zur Zeit?« erkundigte sich Patta streng.
    Der Commissario hielt ihm den dünnen Aktendeckel entgegen und sagte in etwa dem Ton, den Herkules angeschlagen hätte, wäre er gefragt worden, warum er so viel Zeit in Augias' Ställen zubringe: »Ich ermittle in der Casinò-Affäre, Vice-Questore.«
    Patta wandte sich seinem Büro zu. »Kommen Sie mit«, sagte er. Die Aufforderung hätte sowohl für den Commissario wie für die Sekretärin gelten können, doch das fehlende »Bitte« machte deutlich, daß Brunetti gemeint war.
    Ein iranischer Freund hatte Brunetti einmal erklärt, daß man in seiner Heimat als Untergebener die Befehle der Vorgesetzten mit einem Farsi-Ausdruck entgegennahm, der so ähnlich wie »be tschescham« klang - wörtlich: »Ich werde es auf meine Augen legen.« Im übertragenen Sinne hieß das, der Rangniedere stellte die Weisung seines Gebieters über alles und würde nichts tun - ja buchstäblich nichts mehr sehen -, bis sein Auftrag ausgeführt war. Brunetti bedauerte bisweilen, daß es im Italienischen keine ähnlich servile Floskel gab.
    Da Patta sich in seinem Zimmer sogleich ans Fenster stellte, verbot es sich auch für Brunetti, Platz zu nehmen. Er blieb an der Tür stehen und wartete ab, was Patta zu sagen hatte. Der Vice-Questore aber starrte so lange aus dem Fenster, daß Brunetti sich schon vergessen glaubte. Er räusperte sich vernehmlich, doch Patta nahm keine Notiz davon.
    Erst als Brunetti selbst das Wort ergreifen wollte, drehte Patta sich um und fragte: »Die Kollegen haben Sie Sonntag abend angerufen, nicht wahr?«
    »Sie meinen wegen des Afrikaners?« fragte Brunetti.
    »Ja.«
    Brunetti nickte.
    »Bei Ihnen zu Hause?«
    »Ganz recht.«
    »Warum?«
    »Verzeihung, Vice-Questore?«
    »Warum hat man Sie verständigt?«
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, ViceQuestore. Sie werden mich angerufen haben, weil ich am nächsten wohne, nehme ich an. Oder vielleicht hat auch jemand hier in der Questura es vorgeschlagen. Einen anderen Grund wüßte ich nicht.«
    »Mich hat niemand angerufen«, versetzte Patta gereizt.
    Brunetti suchte nach einer möglichst unverfänglichen Erklärung und sagte schließlich: »Wahrscheinlich haben sie einfach den erstbesten verständigt. Oder womöglich gibt es auch eine Liste, anhand derer sie uns abwechselnd holen, wenn ein Kriminalist am Tatort gebraucht wird.« Patta schaute wieder aus dem Fenster, und Brunetti fügte hinzu: »Außerdem haben sie sich wohl nicht getraut, jemanden Ihres Ranges mit den Anfangsstadien einer Ermittlung zu behelligen.« Daß es genau diese ersten Schritte waren, die oft am meisten zur Lösung eines Falles beitrugen, sagte er wohlweislich nicht. Als Patta immer noch schwieg, fuhr er fort: »Im übrigen, ViceQuestore, liegt Ihre Stärke doch unbestritten darin, unsere Fälle den Ermittlern zuzuteilen, die jeweils am besten dafür geeignet sind.« Brunetti merkte gerade noch rechtzeitig, daß er gefährlich hart am Wind segelte, und beschloß, nichts weiter zu sagen.
    Nach einer längeren Pause fragte Patta: »Und halten Sie sich in diesem Fall für besonders geeignet?«
    Brunetti zählte ganz langsam bis fünf, bevor er etwas erwiderte. »Nein, besonders nicht.«
    Kaum hatte er das gesagt, ging Patta auch schon auf ihn los. »Heißt das, Sie wollen den Fall nicht bearbeiten?«
    Diesmal schaffte Brunetti es bis sieben, ehe er zu einer Antwort ansetzte. »Weder reiße ich mich drum, noch würde ich ihn direkt ablehnen, Vice-Questore«, log er. »Meiner Meinung nach handelt es sich da um einen Bandenkrieg zwischen rivalisierenden Schwarzen, die wir zu Dutzenden werden verhören müssen und die dann alle behaupten, sie hätten keine Ahnung, wer der Tote war oder gewesen sein könnte. Und am Ende bleibt uns nichts weiter übrig, als den Fall ungeklärt zu den Akten zu legen.« Er gab sich Mühe, seinen Einwand gleichzeitig mißbilligend und gelangweilt vorzubringen. Als Patta stumm blieb, fragte Brunetti: »War es das,

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