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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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weswegen Sie mich sprechen wollten, Vice-Questore?«
    Da drehte Patta sich wieder zu ihm um und sagte: »Ich glaube, Sie sollten sich lieber setzen, Brunetti.«
    Ohne sich seine Überraschung anmerken zu lassen, tat Brunetti wie ihm geheißen. Sein Vorgesetzter indes blieb am Fenster stehen. Draußen waren dichte Wolken aufgezogen, und das Zimmer verdunkelte sich rasch. Pattas Gesicht war auf die Entfernung kaum noch zu erkennen, so daß Brunetti wünschte, er hätte sich getraut, Licht zu machen.
    Endlich sagte Patta: »Ich finde Ihr Desinteresse recht ungewöhnlich, Brunetti.«
    Der Commissario setzte schon zu einer Antwort an, beschloß dann aber, sein Widerstreben unter Beweis zu stellen, und wartete noch ein paar Sekunden, bevor er sagte: »Vermutlich ist es das auch, Vice-Questore. Aber ich habe im Moment eben sehr viel zu tun, und außerdem fürchte ich, daß man sich an dem Fall nur die Zähne ausbeißen kann.« Er überzeugte sich mit einem Blick auf Patta, daß der ihm still und aufmerksam zuhörte, und fuhr fort. »Ich weiß zwar nur wenig über die vucumprà, aber nach dem, was man so hört, leben sie in einer abgeschlossenen Gemeinschaft, zu der wir so oder so keinen Zugang finden.« Er suchte nach einem angemessenen Vergleich, und das Beste, was ihm einfiel, war: »Wie bei den Chinesen.«
    »Was?« fuhr Patta auf. »Was haben Sie gesagt?«
    Erschrocken über den scharfen Ton, wiederholte Brunetti: »Daß die vucumprà ähnlich wie die Chinesen hierzulande eine Enklave bilden, daß sie in ihrer eigenen Welt leben, deren Regeln und Beziehungen uns im einen wie im anderen Fall verschlossen bleiben.«
    »Aber wie kommen Sie grade auf die Chinesen?« fragte Patta, schon gefaßter.
    Brunetti zuckte die Achseln. »Vermutlich weil sie hier bei uns neben den Afrikanern als einzige zahlenmäßig so stark vertreten sind.«
    »Ach? Und was ist mit den Filipinos? Oder den Immigranten aus Osteuropa?« fragte Patta.
    Brunetti überlegte einen Moment, bevor er darauf antwortete. »Nun ja, um ehrlich zu sein, liegt es wohl mehr daran, daß beide sich so sehr von uns unterscheiden, wenn ich Afrikaner und Chinesen in einen Topf werfe. Sie wirken eben fremdländischer, einfach exotischer.« Als Patta darauf nichts erwiderte, setzte er hinzu: »Aber warum fragen Sie mich das, Vice-Questore?«
    Patta trat vom Fenster weg, doch statt sich hinter seinem Schreibtisch zu verschanzen, nahm er auf einem Stuhl Brunetti gegenüber Platz - eine Wahl, die den Commissario seltsam beunruhigte.
    »Wir trauen einander nicht über den Weg, Brunetti, stimmt's?« fragte Patta nach einer längeren Pause.
    Normalerweise hätte Brunetti jetzt gelogen und mit Nachdruck behauptet, da sie beide Polizisten seien, verstünde es sich von selbst, daß sie einander vertrauten, wie sonst könnten sie erfolgreich zusammenarbeiten und gemeinsam dem Wohl der Truppe dienen? Aber irgend etwas warnte ihn, daß Patta nicht in Stimmung war für derlei Platitüden. »Nein, Vice-Questore, das tun wir nicht.«
    Patta, der seine Antwort ruhig aufnahm, senkte den Blick zu Boden und richtete ihn dann wieder auf Brunetti. Endlich sagte er: »Ich will Sie in etwas einweihen, ohne daß ich es näher erklären werde. Aber bitte glauben Sie mir, wenn ich Ihnen versichere, daß es sich so verhält, wie ich sage.«
    Brunetti mußte unwillkürlich an ein Rätsel denken, daß sein Logikprofessor den Studenten im Seminar aufgegeben hatte: Wenn ein notorischer Lügner sich plötzlich selbst der Lüge bezichtigt - sagt er dann die Wahrheit, oder belügt er dich? Es war schon zu lange her, als daß Brunetti sich noch an die richtige Lösung erinnern konnte; trotzdem witterte er hinter Pattas Äußerungen eine Falle und hüllte sich vorsichtshalber in Schweigen.
    »Wir müssen uns da raushalten«, sagte Patta in seine Gedanken hinein.
    Als feststand, daß er sich nicht näher erklären würde, fragte Brunetti: »Ich nehme an, Sie beziehen sich auf den Mord an dem Afrikaner?«
    Patta nickte.
    »Aber wie sollen wir uns raushalten? Indem wir den Fall gar nicht untersuchen oder nur so tun als ob und nichts finden?«
    »So tun als ob ist denkbar. Also Zeugen befragen, Berichte schreiben und so weiter. Aber wir dürfen keine - nun ja - Ergebnisse erzielen.«
    »Was für Ergebnisse?«
    Patta schüttelte den Kopf. »Das ist alles, was ich zu dem Thema zu sagen habe, Brunetti.«
    »Mit anderen Worten, wir dürfen die Mörder nicht dingfest machen?« fragte Brunetti schroff.
    »Halten Sie

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