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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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inzwischen gewandelt hätten.
    Mit der niederschmetternden Erkenntnis, daß er den Papierwust auf seinem Schreibtisch nur noch vergrößern würde, wenn er im Büro bliebe, überflog er die Akten, die vor ihm lagen. Wie sehr er sich von hier fort sehnte: in die Berge, die Tropen, auf eine Insel, wo er knöcheltief im Wasser den Strand entlangwaten könnte. Und doch wurde er wie von Geisterhand daran gehindert, aufzustehen und das Büro zu verlassen. Seufzend zog er sich ein paar Unterlagen heran, und erst als er sich nach einer Weile eingestehen mußte, daß er nichts von dem Gelesenen behalten hatte, gab er seinem Freiheitsdrang doch noch nach. Ohne jemandem Bescheid zu sagen, verließ er die Questura und nahm das nächste Vaporetto Richtung San Silvestro und nach Hause.
    Biancat hatte geöffnet, also ging er hinein und verlangte ein Dutzend Iris. Während die Verkäuferin den Strauß zusammenstellte, beschloß Brunetti, auch Chiara Blumen mitzubringen, und nahm noch ein Dutzend gelbe Tulpen. Als er in die Wohnung kam, brachte er zuerst die Tulpen in die Küche und ging dann mit den Iris in Paolas Arbeitszimmer.
    Sie sah ihm lächelnd entgegen, fragte nicht, warum er so früh heimkomme, sondern sagte nur: »Ach, Guido, wie lieb!«
    Ihr Lächeln tat ihm so wohl, daß er sich gleich noch eines verdienen wollte. »Ich habe auch für Chiara einen Strauß Tulpen mitgebracht«, sagte er.
    Paolas Lächeln erlosch. »Taktisch falsch«, erklärte sie und erhob sich. Sie küßte ihn auf die Wange und nahm ihm die Blumen ab.
    »Was heißt das?« rief er ihr nach und folgte ihr in die Küche.
    Paola wickelte die Iris aus und sagte: »Deine Tochter hat einen Artikel darüber gelesen, wie Schnittblumen um die halbe Welt verschickt werden.«
    »Und?« fragte er verständnislos.
    »Und in dem Artikel wurde angeprangert, wieviel Brennstoff allein für den Transport vergeudet wird und wieviel für die Beheizung der Treibhäuser im Winter, und wieviel von den Chemikalien, mit denen die Blumen gedüngt werden, ins Erdreich sickert.« Damit wandte sie sich Chiaras Tulpen zu, wickelte sie aus dem Papier und bückte sich, um eine dunkelbraune Vase aus dem Unterschrank zu nehmen, die sie mit Wasser füllte.
    »Noch mehr Ökosünder?« fragte er spöttisch. »Sie glaubt anscheinend, wir wären von Umweltfrevlern umzingelt.«
    Paola stellte die Tulpen einzeln in die Vase und hielt zwischendurch immer wieder inne, um das Arrangement kritisch zu betrachten. Dann trat sie einen Schritt zurück, um ihr Werk besser in Augenschein nehmen zu können, und legte noch ein letztes Mal Hand an den Strauß. »Ich finde, es ist ein berechtigter Standpunkt«, antwortete sie ruhig.
    »Ist es ihr wirklich ernst damit?« forschte Brunetti. »Ich meine, hat sie jetzt den Blumen den Krieg erklärt?«
    Paola wandte sich um und legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Reg dich nicht auf, Guido. Und versuche, nicht zu vergessen, daß sie recht hat.« Sie zeigte auf die Tulpen. »Die stammen vermutlich aus den Niederlanden und wurden per LKW durch halb Europa gekarrt. Sie halten vier oder fünf Tage, dann wandern sie in einer Plastiktüte in den Müll, und zu ihrer Verbrennung wird noch mehr Benzin vergeudet.«
    »Aber so kann man doch Blumen nicht betrachten - das ist ja furchtbar«, empörte er sich.
    »Fändest du es weniger furchtbar, wenn es sich um ein häßliches Produkt handelte?« fragte sie. »Vielleicht Plastikgondeln made in Hongkong und eingeführt per Luftfracht? Oder diese scheußlichen NullachtfünfzehnMasken?«
    »Aber das sind Blumen, Herrgott noch mal«, beharrte er und deutete auf die Vase, als fordere er die Tulpen auf, mit ihrer Schönheit für ihn einzutreten, die Köpfe noch stolzer aufzurichten und sich zu verteidigen.
    »Ja, und wir alle mögen Blumen, und sie sind wunderschön, Guido; trotzdem sind wir genausowenig darauf angewiesen wie auf Plastikgondeln oder einfallslose Karnevalsmasken. Wir könnten sehr wohl ohne sie auskommen, aber wir umgeben uns nun einmal gern mit Blumen, und weil das so ist, müssen wir notgedrungen den ökologischen Schaden in Kauf nehmen, der durch die langen Transportwege entsteht.« Brunetti glaubte schon, sie sei fertig, doch Paola fuhr fort: »Wir bereuen es nicht, oder jedenfalls nicht so sehr, weil Blumen nun mal etwas sehr Schönes sind. Und deshalb reden wir uns ein, sie machten eine Ausnahme. Was aber nicht stimmt.« Und nach einer kleinen Pause schloß sie: »Zumindest glaubt Chiara

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