Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas
Kann zehn Jahre her sein, vielleicht noch länger. Aber das ist nur eine Schätzung. Exakt läßt sich das wirklich nicht bestimmen.«
Biaggi sah auf seine Armbanduhr, worauf Brunetti hastig einwarf: »Nur eine Frage noch, Signore. Hätte auch jemand anders dieses Rohr finden können?«
Verdutzt fragte der Klempner zurück: »Sie meinen die Öffnung im Tank?«
»Ja.«
»Aber warum hätte man danach suchen sollen?«
»Ach, ich weiß nicht«, gab Brunetti beiläufig zurück. »Nur einmal angenommen, jemand hätte sich dafür interessiert: Wäre es möglich gewesen, sie aufzuspüren?«
Biaggi sah seinen Chef an, der nickte. Der Klempner schaute wieder auf die Uhr, rieb die Handflächen aneinander, was ein schmirgelndes Geräusch verursachte, und sagte endlich: »Wenn derjenige wußte, daß es da war, dann hätte er es wohl ertasten können. Das Wasser wird nachts abgestellt, wenn man also den Abfluß öffnet und den Tank entleert, könnte man das Gehäuse absuchen, zumindest bis hinunter zum Bodensatz. Falls er es danach wieder auffüllen wollte, bräuchte er bloß den Abfluß zu schließen, nebenan das Wasser anzustellen und zu warten, bis die Tanks gefüllt sind. Ein Kinderspiel.«
Mit einem Lächeln, das beruhigend wirken sollte, sagte Brunetti: »Verzeihen Sie, aber mir ist gerade noch eine Frage eingefallen. Aber ich verspreche Ihnen, das ist wirklich die allerletzte.«
Biaggi nickte, und Brunetti fuhr fort: »Haben Sie eine Ahnung, wie lange der Tank schon leck war?«
»Etwa einen Monat, würde ich sagen«, antwortete Biaggi wie aus der Pistole geschossen.
»Sie scheinen sich da ja sehr sicher zu sein.«
»Allerdings. Es sah nämlich so aus, als hätte schon vor uns jemand versucht, das Ding zu reparieren. Das heißt, man hatte versucht, den Deckel über der Öffnung zuzuschweißen, aber das konnte unmöglich funktionieren. Als ich mich danach erkundigte, sagte der Geschäftsführer, die Arbeiter hätten sich schon seit ein paar Wochen über den nassen Fußboden beschwert.« Er lächelte Brunetti forschend an, wie um sich zu vergewissern, ob er nun genügend Fragen beantwortet habe. Brunetti lächelte zurück, erhob sich und streckte die Hand aus.
»Sie haben mir sehr geholfen, Signor Biaggi. Es macht immer Freude, sich mit einem Mann zu unterhalten, der sein Handwerk versteht.«
Als Biaggi, leicht verlegen ob dieses Kompliments, abgezogen war, ließ Repeta der Neugier, die Brunettis Fragen bei ihm geweckt hatten, freien Lauf. »Und Sie, Commissario? Sind Sie auch ein Mann, der sein Handwerk versteht?«
»Ich fange an, es zu glauben«, entgegnete Brunetti, verabschiedete sich und kehrte in die Questura zurück.
25
W as Brunetti jetzt brauchte, war eine wirksame Taktik. Patta würde sich garantiert dagegen verwahren, einem Mann wie Fasano - schon jetzt mit etlicher politischer Schlagkraft ausgestattet und auf dem besten Wege, sich weiter zu profilieren - die Beteiligung an einem Verbrechen zu unterstellen. Ebensowenig würde der Vice-Questore Brunetti eine umfassende Ermittlung genehmigen, die sich auf nichts weiter stützte als eine Sammlung von Informationsschnipseln und das Raster, in das sie sich vielleicht fügen ließen. Beweise? Allein das Wort entlockte Brunetti ein mitleidiges Lächeln. Alles, was er vorzuweisen hatte, waren Verdachtsmomente und ein paar Vorkommnisse, die man auf eine bestimmte Weise auslegen konnte oder auch nicht.
Er griff zum Telefon und tippte Boccheses Durchwahl ein. Der Kriminaltechniker meldete sich mit Namen.
»Bist du schon dazu gekommen, dir diese Probe anzuschauen?« fragte Brunetti.
»Probe?«
»Die Foa dir gebracht hat.«
»Nein, hab ich verschwitzt. Morgen?«
»Ja.«
Brunetti wußte, daß er gut daran täte, die Sache ruhen zu lassen und Boccheses Analyse abzuwarten:
Es war müßig, vorher darüber zu spekulieren, was sich auf der Brachfläche hinter den beiden Manufakturen zugetragen oder was man in sie hineingepumpt hatte. De Cal lief Amok bei dem Gedanken, sein Schwiegersohn, der Umweltschützer, könne eines Tages in seinem Betrieb mitmischen, und wollte eher verkaufen als an seine Tochter und damit an deren Mann zu übergeben. Lieber verscherbelte er die fornace an Gianluca Fasano, aufsteigenden Stern am verseuchten Himmel der Lokalpolitik, dem der Ruf vorauseilte, er sei von tiefer Besorgnis über die fortgesetzten Ökofrevel seiner Vaterstadt erfüllt. Für De Cal war Umweltschützer offenbar nicht gleich Umweltschützer.
All das wäre nicht
Weitere Kostenlose Bücher