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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hinlegen«, sagte er, ohne sich näher zu erklären. Paola nickte zustimmend und tauchte wieder ab in die Hölle.
    Brunetti versank augenblicklich in einen so tiefen Schlaf, daß er nicht einmal merkte, wann Paola ins Bett kam. Falls sie das Licht anknipste, irgendwelche Geräusche machte oder noch wach blieb und las:
    Brunetti bekam nichts davon mit. Doch als um fünf Uhr früh am nächsten Morgen das Geläut von San Marco durchs offene Fenster hereinschallte, fuhr er auf und sagte laut und klar: »Paragraphen!«
    Er machte Licht, stemmte sich mit der Schulter hoch, um nachzuschauen, ob er Paola geweckt habe, und sah, daß sie noch schlief. Dann schälte er sich aus dem Bett und tappte hinaus auf den Flur, dessen eine Wand mit den Büchern bestückt war, die er als die seinen betrachtete: Werke von griechischen und römischen Historikern sowie deren Nachfolgern aus den nächsten zweitausend Jahren. Gegenüber standen Kunst- und Reiseführer und, auf dem obersten Bord, einige der Lehrbücher aus seiner Studienzeit nebst neueren Abhandlungen über Zivil- und Strafrecht.
    Auf dem Tisch im Wohnzimmer lagen Tassinis Notizen noch neben den Industriekrankheiten. Brunetti war promovierter Jurist, hatte jahrelang Gesetzestexte studiert und gepaukt: Wieso nur hatte er Tassinis Einträge nicht erkannt? Wenn man die ersten sechs Ziffern jeweils als Datum las, ergab sich daraus der 20. September 1973 und der 10. September 1982. Und die letzten drei Zahlen standen dann für den zugehörigen Paragraphen. Brunetti wußte, daß er die Ausgabe der Gazzetta Ufficiale nicht hier, sondern im Büro aufbewahrte; trotzdem suchte er danach, bis er kalte Füße bekam und sich mit Tassinis Notizen und seinem Buch ins Schlafzimmer zurückzog.
    Er stieg ins Bett und schob sich das Kissen in den Rücken. Doch kaum daß er es bequem zurechtgeklopft hatte, stand er leise fluchend wieder auf, um seine Brille aus dem Wohnzimmer zu holen. Er knotete sich noch den neuen Pullover um die Schultern und schlüpfte zurück ins Bett.
    Die drei handbeschriebenen Blätter ließ er in die Kuhle zwischen sich und seiner gleichsam bewußtlosen Frau gleiten, griff nach den Industriekrankheiten und schlug das Register auf.
    Brunetti las bis kurz vor sechs. Dann klappte er das Buch zu, machte sich in der Küche einen Caffè Latte und nahm ihn mit zurück ins Schlafzimmer. Er setzte sich ins Bett, nippte an seiner Tasse und sah zu, wie das erste Tageslicht seine Strahlen nach den Bildern an der Wand gegenüber ausstreckte.
    »Paola«, sagte er, nachdem die Kirchturmuhr sieben geschlagen hatte. Und noch einmal: »Paola?«
    Es war offenbar eher sein Tonfall als ihr Name, der zu ihr durchdrang, denn sie antwortete mit ganz normaler Stimme: »Wenn du mir einen Kaffee bringst, dann höre ich dir zu.«
    Wohl oder übel stieg Brunetti zum viertenmal aus dem Bett. Er machte frischen Kaffee und kehrte mit zwei Tassen ins Schlafzimmer zurück. Paola saß inzwischen aufrecht im Bett, balancierte ihre Lesebrille auf der Nasenspitze und Tassinis Buch auf den Knien.
    Brunetti reichte ihr eine Tasse. Paola nahm sie dankbar lächelnd in Empfang, trank einen Schluck und klopfte einladend auf die Bettkante. Er setzte sich zu ihr, und fürs erste tranken sie schweigend ihren Kaffee. Doch nach einer Weile schob Paola sich die Brille auf die Stirn und sagte: »Ich begreife nicht, wie du dir die halbe Nacht mit solchem Zeug um die Ohren schlagen kannst, Guido.« Mit der freien Hand klappte sie das Buch zu und warf es aufs Bett.
    »Ich glaube, ich weiß jetzt, was die restlichen Zahlen bedeuten«, platzte Brunetti heraus. »Tassini kannte die Gesetze gegen Umweltverschmutzung und hat sie vorschriftsmäßig aufgelistet, ganz wie ein Jurist, nur ohne die Leerstelle zwischen Datum und Paragraphenziffer.«
    Statt sich, wie er erwartet hatte, nach dem Inhalt dieser Gesetze zu erkundigen, überraschte Paola ihn mit der Frage: »Wie mag er da bloß rangekommen sein?« Ihr Ton verriet mehr als ein Quentchen Spott des Bildungsbürgers für diejenigen, die nach seinem Wissen strebten.
    »Keine Ahnung«, gestand Brunetti.
    »Hat er am Ende Jura studiert?«
    »Da bin ich überfragt«, sagte Brunetti, und dabei ging ihm auf, wie wenig er über Tassinis Vergangenheit wußte. Der Mann war allzu rasch vom Verdächtigen zum Opfer geworden.
    »Seine Schwiegermutter meinte, er sei nur deshalb Nachtwächter geworden, damit er die ganze Nacht dasitzen und lesen konnte«, erklärte er Paola.
    Worauf sie

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