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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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unbeirrt weiter, bis sie etwas aus dem Stapel herauszog und triumphierend hochhielt. »Porto Marghera«, las sie laut vor, »Situazione e Prospettive«. Sie hielt ihm das Blatt hin, damit er die Schlagzeile lesen konnte. »Glaubst du, es ist Zufall, daß die Zeitung diesen Bericht zeitgleich mit dem Prozeß veröffentlicht?«
    »Aber der läuft doch schon ewig«, wandte Brunetti ein. Der Prozeß gegen den Petrochemiekonzern wegen Verunreinigung von Land, Luft und Lagune schleppte sich nun schon jahrelang hin: Das war dem ganzen Veneto bekannt, und genausogut wußte man, daß er sich noch viele weitere Jahre hinziehen würde oder zumindest so lange, bis die Verjährungsfrist ablief und man ihn ins Himmelreich der abgewiesenen Fälle befördern konnte.
    »Laß mich dir einen Absatz vorlesen, und dann sag mir, ob du da an Zufall glaubst.« Paola blätterte die Beilage durch und überflog die letzte Seite. »›Abschließend danken die Autoren all denen, die zum Entstehen dieser Publikation beigetragen haben - einer Dokumentation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Aufklärung zu leisten und die Bevölkerung im Veneto über etwaige Umweltgefahren zu informieren, die von den Industrieanlagen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ausgehen.‹« Paola sah Brunetti an, um sich seiner vollen Aufmerksamkeit zu vergewissern. »Und wem, glaubst du, gebührt der Dank für diese freundliche Kooperation?« fragte sie und fuhr - unnötigerweise vermutlich - mit dem Finger die Zeilen entlang. »Den Betreibern des Industriegebiets.«
    Als Brunetti sich nicht dazu äußerte, warf sie die Beilage auf den Schreibtisch und rief: »Komm schon, Guido, du mußt zugeben, das ist phantastisch. Genial ist das! Da erstellen sie eine Dokumentation über diese Giftschleudern knapp drei Kilometer vor unserer Haustür, in denen wahrscheinlich genügend Toxine lagern, um den ganzen Nordosten des Landes auszumerzen, und dann läßt man das Gefahrenpotential dieser Substanzen ausgerechnet von den Betreibern der verantwortlichen Unternehmen beurteilen!« Sie lachte lauthals, aber Brunetti stimmte nicht mit ein.
    Wie ein Quizmaster im Fernsehen machte Paola eine Kunstpause und setzte eine gespannte Miene auf, als wolle sie ihn mit dieser gespielten Neugier zu einer Antwort provozieren. Als er weiter schwieg, fuhr sie fast beschwörend fort: »Oder sieh es mal aus einer anderen Warte: Wie wäre es, wenn Patta die nächste Kriminalitätsstatistik vom Boss der hiesigen Mafia oder meinetwegen auch von dem der Chinesenmafia erstellen ließe?« Sie schwenkte die Broschüre über ihrem Kopf und verkündete: »Wir sind alle verrückt, Guido.«
    Brunetti, der inzwischen auf dem Sofa Platz genommen hatte, hörte ihr still, aber aufmerksam zu. »Laß mich dir nur noch eine Stelle vorlesen«, bat Paola. Sie blätterte ein paar Seiten nach vorn, dann wieder ein Stück zurück. »Ah, da hab ich's! Hör dir das an: ›Verhaltensregeln für den Notfall.‹« Sie schob die Brille hoch, hielt das Blatt dichter vor die Augen und fuhr fort. »›Bleiben Sie im Haus, schließen Sie die Fenster, drehen Sie das Gas ab, meiden Sie das Telefon, aber hören Sie Radio, und gehen Sie unter keinen Umständen ins Freie.‹« Paola wandte sich ihm zu und meinte sarkastisch: »Fehlt bloß noch, daß sie uns das Atmen verbieten.« Sie ließ das Blatt sinken und fügte hinzu: »Wir leben keine drei Kilometer von dort, Guido.«
    »Aber das weißt du doch schon seit Jahren.« Brunetti ließ sich tiefer in die Polster gleiten.
    »Ja, das schon«, räumte sie ein, »aber das hier wußte ich nicht.« Sie griff wieder nach der Beilage und schlug eine Seite auf. »Ich wußte nicht, daß sechsunddreißig Millionen Tonnen an ›Material‹ da durchgeschleust werden. Ich habe keine Ahnung, wieviel sechsunddreißig Millionen Tonnen sind, und die verraten uns natürlich nicht, was drin ist, in ihren sechsunddreißig Millionen Tonnen. Aber gesetzt den Fall, es brennt, dann würde vermutlich schon sehr viel weniger ausreichen, um ...« Hier versagte ihr die Stimme.
    »Wie kommst du denn darauf, daß so was passieren könnte?« fragte er.
    »Weil ich heute anderthalb Stunden lang versucht habe, der Telefongesellschaft die neue Gültigkeitsfrist meiner Kreditkarte durchzugeben«, fauchte sie.
    »Und wo ist der Zusammenhang?« fragte er mit olympischer Gelassenheit.
    »Die hatten mir geschrieben, meine Karte sei abgelaufen und ich solle mich unter ihrer kostenfreien Servicenummer melden. Als ich dort

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