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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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reizenden Fleisches ihn seltsamerweise erquickte. Was für herrliche Brüste! Wie seine Hand sich danach sehnte, diesen wohlgerundeten Po zu umfassen. Um wieviel besser wäre das im Vergleich zu der engstirnigen, lebensverneinenden Gemeinheit, von der er eben gehört hatte. Also stellt sie ruhig aus, die hübschen Titten und die knackigen Hintern, auf daß sie den Leuten Lust machen, Kinder zu zeugen und sie liebzuhaben.
    Beim Gedanken an Kinder fiel ihm wieder Daniela Carlon ein, obwohl er das, was sie ihm erzählt hatte, lieber verdrängt hätte. Im Lauf der Jahre war er zu der Überzeugung gelangt, daß ihm zum Thema Abtreibung keine vollwertige Meinung zustehe, ja, daß er als Mann in der Sache kein Stimmrecht habe. Sein Bauchgefühl ließ sich dadurch zwar nicht zum Schweigen bringen, aber das Entscheidungsrecht gehörte in dem Fall allein den Frauen. Er hatte das zu akzeptieren und den Mund zu halten. Andererseits war all dies nur graue Theorie und half nichts gegen den verzweifelten Schmerz in Danielas Stimme.
    Brunetti spürte etwas an seinem Bein und sah, als er hinunterschaute, einen mittelgroßen braunen Hund, der seine Schuhe beschnupperte und dabei die Flanken behaglich an Brunettis Wade rieb. Der Hund blickte kurz zu ihm auf und schien zu feixen, bevor er sich wieder über die Schuhe hermachte. Am anderen Ende der Leine stand ein kleiner Junge, kaum größer als der Hund.
    »Hör auf damit, Milli!« rief eine weibliche Stimme, und schon eilte eine Frau herbei und nahm dem Jungen die Leine aus der Hand. »Entschuldigen Sie, Signore, aber sie ist praktisch noch ein Baby.«
    »Und ein Schuhfetischist?« fragte Brunetti, dessen Stimmung sich dank des harmlosen Zwischenfalls wieder aufhellte.
    Die Frau lachte, und ihre makellosen Zähne blitzten im wohlgebräunten Gesicht. »Scheint so.« Dann nahm sie ihren Sohn an die Hand und sagte: »Komm, Stefano. Wir bringen Milli nach Hause und geben ihr was Leckeres zu fressen.«
    Der Junge streckte die freie Hand aus, und nach einigem Zögern gab seine Mutter ihm die Leine wieder.
    Milli hatte den Führungswechsel zurück zum schwächeren Herrchen wohl mitbekommen, denn sie stürmte übermütig los, wobei sie, ganz nach Art junger Hunde, die Hinterläufe hoch in die Luft warf. Immerhin zügelte sie ihr Tempo so weit, daß sie den Jungen hinter sich herzerren konnte, ohne daß er Gefahr lief zu stürzen.
    Brunetti ging das Herz auf, und einen Moment lang schien alles gut, bis - ja, bis seine Gedanken ausschwärmten und über Dottor Franchi stolperten. Wie hatte Pedrolli ihn doch gleich genannt: den gnadenlosen Hüter der Moral? Um ein solches Urteil zu fällen, mußten dem Arzt gewisse Vorfälle zu Ohren gekommen sein. Oder er hatte selber mit angehört, wie der Apotheker sich in unmißverständlicher Weise über seine Kunden, über die Gesellschaft oder sonst ein Thema äußerte. Unwillkürlich erinnerte sich Brunetti an den entgeisterten Blick von Signora Invernizzi, als Franchi sich so verständnisvoll über die Not der Junkies geäußert hatte.
    War dieser Dottor Franchi demnach ein Chamäleon, einer, der seine Meinung für sich behielt, wenn er glaubte, Personen, an deren Wertschätzung ihm gelegen war, damit zu brüskieren, und sie nur dann freimütig äußerte, wenn er sich jemandem überlegen fühlte? Nach Brunettis Erfahrung war eine solche Verhaltensweise nicht ungewöhnlich. Ob manche Menschen nicht zuletzt deshalb heirateten, weil sie in der Ehe sagen durften, was sie dachten, und ihnen die quälende Last der Verstellung erspart blieb? Aber wie stand es dann um Bianca Marcolini: Welch ein Leben führte sie, wenn ihr Mann jeden Tag, jede Stunde herausfinden konnte, was ihr Vater auf ihr Betreiben hin getan hatte? Es war so leicht gewesen, den eitlen Marcolini so weit zu bringen, daß er mit seinem Anruf bei den Carabinieri prahlte. Da mußte seine Tochter doch wissen, daß ihr Mann früher oder später erfahren würde, was wirklich geschehen war. Nein, nicht was, sondern warum es passiert war! Die Erkenntnis traf Brunetti wie ein Blitz: Pedrolli würde niemals erfahren, was aus seinem Sohn geworden war; nur, warum er ihn verloren hatte.
    Erst als die Spannung in den Schultern sich wieder bemerkbar machte, fiel Brunetti auf, daß er immer noch vor dem Zeitungskiosk stand und die nackten Mädchen auf den Illustriertentiteln angaffte. Und für einen Moment sah er mit ernüchternder Klarheit, was Paola meinte: So, wie diese jungen Frauen zur Schau gestellt

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