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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Theorie weiter aus: »Wenn wir es hier mit einem Verbrecherring zu tun haben«, begann er, die Gedanken unterm Sprechen ordnend, »dann können wir davon ausgehen, daß der Kopf dieser Bande über eine ganze Liste von Bewerbern verfügt, die sich ein Baby wünschen und bereit sind, dafür zu zahlen. Für diesen Handel braucht er aber andererseits eine entsprechende Anzahl von Frauen, die eingewilligt haben, ihr Kind nach der Geburt abzutreten.«
    »Logisch.«
    »Ja, ja, bloß kann man so was nicht beliebig verschieben, oder?« fragte Brunetti. »Wenn eine Frau ein Kind bekommt, dann kriegt sie es, sowie die Zeit reif ist, und nicht zu dem Termin, der irgendeinem Mittelsmann in den Kram paßt.«
    »Und falls der Handel wirklich so lukrativ ist, wie ich habe läuten hören«, nahm Pelusso den Faden auf, »dann wird die Bande sich rasch wieder mit ihren potentiellen Käufern in Verbindung setzen.«
    Sofort wurde Brunetti hellhörig. »Hast du Kontakt zu dieser Szene?«
    »Ach, Szene! Vieles davon ist, glaube ich, Teil der modernen Legendenbildung«, wiegelte Pelusso ab. »Du weißt schon, wie bei den Chinesen, die angeblich nicht sterben, weil man nie eine Beerdigung sieht. Von diesem Babyhandel ist allerdings schon ziemlich oft die Rede.«
    »Und hast du auch mal Preise nennen hören?« fragte Brunetti und hoffte, Pelusso würde nicht zurückfragen, wieso die Polizei sich darüber nicht längst selbst informiert hätte.
    Es folgte eine längere Pause, die vermuten ließ, Pelusso verfolge den gleichen Gedanken, aber als er sich wieder meldete, geschah es nur, um Brunettis Frage zu beantworten. »Nein, nichts Verläßliches. Es sind Gerüchte im Umlauf, ja, aber wie gesagt, Guido, die Leute kommen immer mit den gleichen Referenzen: ›Das weiß ich von einem, der sich auskennt.‹ - ›Mein Freund weiß da genau Bescheid.‹ - ›Mein Nachbar hat eine Cousine, die einen Freund hat, der ...‹ Unmöglich, festzustellen, was davon der Wahrheit entspricht und was nicht.«
    Brunetti unterdrückte den Hinweis, daß von dieser unsicheren Nachrichtenlage alle betroffen seien, nicht nur ein Journalist wie Pelusso. Ob die Italiener leichtgläubiger waren als andere Völker oder lediglich schlechter informiert, wagte er nicht zu beurteilen. Aber er hatte von Ländern gehört, in denen eine unabhängige Presse wahrheitsgetreue Nachrichten lieferte und wo das Fernsehen nicht von einem einzigen Mann kontrolliert wurde. Ja, sogar seine eigene Frau hatte sich zum Glauben an solche Wunder bekannt.
    Pelussos Stimme holte ihn in die Gegenwart zurück. »Brauchst du sonst noch was?« fragte er.
    »Ja. Wenn du mitkriegst, wer der Drahtzieher war, der die Berichterstattung stoppen ließ, dann wäre ich dir dankbar für einen Tip.«
    »Ich halte dich auf dem laufenden«, versprach Pelusso und legte auf.
    Nach dem Telefonat schweiften Brunettis Gedanken, aus ihm selbst unerfindlichen Gründen, zu einem Gedichtzyklus, den Paola ihm vor Jahren vorgelesen hatte. Die Verse stammten von einem elisabethanischen Poeten, der darin den Tod seiner Kinder, eines Knaben und eines Mädchens, beklagte. Paola hatte sich darüber empört, daß der Verfasser auf den Verlust seines Sohnes weitaus betroffener reagierte als auf den der Tochter, aber Brunetti erinnerte sich nur noch an den bitteren Wunsch des Unglücklichen, aller Vaterschaft entsagen zu können. Welche Qualen mußte einer leiden, der sich zu einem solchen Aufschrei hinreißen ließ? Unter ihren Freunden waren zwei, denen ein Kind gestorben war, und beide hatten den Schmerz nie verwunden. Gewaltsam zwang Brunetti seine Gedanken in eine andere Richtung und überlegte, wer ihm Informationen über diesen Babyhandel verschaffen könnte. Dabei fiel ihm sein vergeblicher Besuch im Ufficio Anagrafe ein.
    Diesmal entschloß er sich, dort anzurufen, und hatte binnen Minuten die gewünschte Auskunft. Wenn ein Mann und die Mutter eines Neugeborenen im Einwohnermeldeamt vorstellig wurden und mit ihrer Unterschrift bezeugten, daß der Mann der Vater des Kindes sei, dann war der Fall im Prinzip erledigt. Natürlich mußten beide noch ihre Ausweise sowie die Geburtsurkunde des Babys vorlegen, was auf Wunsch sogar auf der Entbindungsstation geschehen konnte, wo das Ufficio Anagrafe eine Zweigstelle unterhielt.
    Brunetti hatte eben die Worte: ›Eine Lizenz zum Mißbrauch‹ vor sich hin gemurmelt, als Vianello, ohne anzuklopfen, hereingestürzt kam.
    »Eben wurde ein Einbruch gemeldet«, rief der Inspektor

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