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Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Titel: Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hat er, nehme ich an, ein trautes Familienleben geführt; den Kindern bei den Hausaufgaben geholfen, darauf geachtet, dass sie zur Erstkommunion gehen. Wenn er stirbt, wird es zweifellos eine ergreifende Trauerfeier geben, wieder im Familienkreis, die Messe wird ein Bischof oder gar ein Kardinal lesen, und dann wird man ihn mit feierlichem Pomp zu Grabe tragen und für seinen Seelenfrieden beten.« Zum Schluss schwankte Brunettis Stimme zwischen Abscheu und Verzweiflung.
    Vianello dagegen fragte ganz ruhig: »Glaubst du, dass ihn einer von seinen eigenen Leuten verpfiffen hat?«
    Brunetti nickte. »Das wäre einleuchtend. Ein junger oder jedenfalls jüngerer - Bandenchef drängt an die Macht und möchte den Laden selber schmeißen. Wobei ihm der alte Mann natürlich im Weg war: lästig, den vor der Nase zu haben. Die Mafia arbeitet heute wie ein multinationales Unternehmen, mit Hochleistungscomputern, eigenen Anwälten und Wirtschaftsprüfern. Nur dieser alte Kauz hockt da in einem besseren Hühnerstall und verfasst Botschaften auf Papierschnipseln. Klar, dass sie den loswerden wollten. Hat sie wahrscheinlich nur einen Anruf gekostet.«
    »Und wie geht's jetzt weiter?« Vianello fragte es, als wolle er den Zynismus seines Vorgesetzten bis auf den Grund ausloten.
    »Tja, wie sagt Lampedusa: Damit alles beim Alten bleibt, muss scheinbar alles anders werden.«
    »So geht es fast immer in diesem Land, oder?«, entgegnete Vianello.
    Brunetti nickte, dann schlug er mit den Handflächen auf die Schreibtischplatte. »Komm, gehen wir einen Kaffee trinken!« Während sie an der Bar in ihren Tassen rührten, berichtete Brunetti dem Ispettore von seinen Gesprächen mit den beiden Priestern.
    Als der Commissario geendet hatte, fragte Vianello: »Wirst du's machen?«
    »Was? Diesen Mutti durchleuchten?«
    »Ja.« Vianello schwenkte den letzten Schluck Kaffee in seiner Tasse und trank aus. »Wahrscheinlich.«
    »Interessant, wie du die Sache angehst«, bemerkte Vianello. »Wie meinst du das?«
    »Nun, dieser Padre Antonin bittet dich, diesen Mutti unter die Lupe zu nehmen. Aber wenn ich's recht verstanden habe, hast du bisher nur versucht, etwas über Padre Antonin herauszufinden.«
    »Und das findest du merkwürdig?«, fragte Brunetti.
    »Ja, weil du einfach davon ausgehst, dass an seinem Ersuchen irgendwas faul war oder zumindest verdächtig. Oder dass mit ihm selbst was nicht stimmt.«
    »Ja, genau den Verdacht habe ich«, entgegnete Brunetti mit Nachdruck.
    »Aber was macht dich denn so misstrauisch?«
    Brunetti brauchte eine Weile, um darauf eine Antwort zu finden. Endlich begann er: »Ich erinnere mich ...«
    »An ein Erlebnis aus deiner Kindheit?«, unterbrach Vianello. »Also ich würde mich höchst ungern danach beurteilen lassen, wie ich damals war. Ein ausgemachter Trottel war ich!«
    Da es Vianello offenbar sehr ernst war, unterließ es Brunetti, den Inspektor mit der von ihm gewählten Vergangenheitsform aufzuziehen. Stattdessen sagte er: »Ich weiß, das klingt wenig überzeugend, aber es war vor allem seine Art, die mich misstrauisch gemacht hat.« Unzufrieden mit dieser Aussage, kaum dass er sie gemacht hatte, setzte er hinzu:
    »Nein, es ist mehr als das! Ich glaube, es war die Selbstverständlichkeit, mit der er Mutti als Dieb oder Betrüger hinstellte, nur weil der junge Roberto Coppi ihm Geld gegeben hat.«
    »Und warum macht dich das so misstrauisch?«, fragte Vianello.
    »Weil ich die ganze Zeit, die Antonin auf mich einredete, das Gefühl hatte, wenn der junge Mann ihm das Geld gegeben hätte, wäre alles in schönster Ordnung.«
    »Du erwartest doch hoffentlich nicht, dass Habgier bei einem Priester mich überrascht?«
    Schmunzelnd stellte Brunetti seine Tasse ab. »Du meinst also, ich sollte den anderen unter die Lupe nehmen?«
    Vianello antwortete mit einem kaum wahrnehmbaren Schulterzucken. »Du hast mir immer eingebläut, man solle der Spur des Geldes folgen, und in dem Fall führt die Spur doch wohl eindeutig zu diesem Mutti.«
    Brunetti langte in seine Tasche und warf ein paar Münzen auf die Theke. »Da könntest du recht haben, Lorenzo«, sagte er. »Vielleicht sollten wir uns mal einen Eindruck davon verschaffen, was bei seinen Veranstaltungen so abgeht?« »Du meinst Mutti?«, fragte Vianello verblüfft. »Ja!«
    Vianello machte den Mund auf, als wolle er widersprechen, presste dann aber die Lippen fest zusammen. »Du denkst an eine dieser religiösen Veranstaltungen?« »Ja«, antwortete Brunetti.

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