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Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Titel: Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Stück weiter wölbte sich über einem rauchenden Vulkan in rosigen Lettern die Aufschrift »Pizzeria Vesuvio«. über dem Lehnstuhl hing ein großes Kruzifix, hinter dem zwei gekreuzte Olivenzweige klemmten. Seitwärts führte eine Tür zur Küche, wo auf der Anrichte Glasbehälter mit Pasta, Reis und Zucker standen sowie noch mehr Fruchtsaft in großen Tetrapaks.
    Brunetti wandte seine Aufmerksamkeit wieder Paola zu und hörte die Frau neben ihr sagen: »... besonders, wenn Sie Kinder haben.«
    Ihr Begleiter nickte zustimmend, und Paola flötete: »Ganz meine Meinung!«
    Dann sank plötzlich der Geräuschpegel, die Unterhaltung geriet ins Stocken, und als Brunetti sich, ebenso wie Paola vor ihm, nach der Ursache umsah, entdeckte er einen hochgewachsenen Mann, der am anderen Ende des Zimmers eingetreten war und gerade mit dem Rücken zu den Anwesenden die Tür ins Schloss zog. Brunetti sah graues, sehr kurz geschorenes Haar, einen schmalen Streifen Weiß über dem Kragen eines schwarzen Jacketts und sehr lange Beine in weiten schwarzen Hosen. Sobald der Mann sich umwandte, fielen seine buschigen, grauen Augenbrauen auf, die hell schimmerten, heller noch als die Haare, und die große Nase, die aus seinem glattrasierten Gesicht vorsprang. Die dunklen Augen wirkten im Kontrast zu Haar und Brauen fast schwarz; die Lippen so weich und entspannt, als könnten sie sich jeden Moment wie von selbst zu einem Lächeln formen.
    Während der Mann langsam den Raum durchquerte, nickte er einigen wenigen Personen zu, hielt ein- oder zweimal kurz inne, um jemandem mit ein paar Worten die Hand auf den Arm zu legen, und steuerte doch immer zügig den Sessel an, der den Stuhlreihen gegenüberstand.
    In stillschweigendem Einvernehmen stellten alle Anwesenden ihre Gläser ab und begaben sich zu den akkurat ausgerichteten Klappstühlen. Brunetti, Vianello und ihre Frauen schlossen sich den anderen an und belegten vier Randplätze in der letzten Reihe. Von hier konnten sie nicht nur den Mann vorne im Sessel sehen, sondern auch einige Gesichter der Leute schräg vor ihnen.
    Der hochgewachsene Mann wartete einen Moment vor der Versammlung, deren Reihen er mit wohlwollendem Blick überflog. Dann hob er seine rechte Hand so, dass drei abgespreizte Finger auf die Anwesenden zeigten - eine Geste, die Brunetti aus zahllosen Darstellungen des auferstandenen Christus kannte. Indessen machte der Mann keine Anstalten, über den Köpfen seiner Zuhörer das Kreuz zu schlagen.
    Das Lächeln, das seinen Mund verheißungsvoll umspielt hatte, brach hervor, sobald er zu sprechen begann. »Es ist mir eine große Freude, wieder unter euch zu sein, meine Freunde, denn nun können wir gemeinsam über den Vorsatz, ein wenig Gutes in die Welt zu tragen, nachdenken. Wie ihr alle wisst, leben wir in einer Zeit, in der gerade dort, wo es am dringendsten not täte, leider nicht viel Gutes anzutreffen ist. Nicht zuletzt deshalb, weil jene, die als leuchtendes Beispiel vorangehen sollten, dieser Pflicht nicht nachkommen.« Wen er dabei im Visier hatte, verriet der Mann nicht. Dachte er an Politiker? Geistliche? Ärzte? Brunetti hielt auch Filmproduzenten oder Fernsehkomiker nicht für ausgeschlossen.
    »Bevor ihr nun in mich dringt und wissen wollt, von wem ich spreche«, fuhr der Mann, die ungestellte Frage mit erhobenen Händen abwehrend, fort, »lasst mich klarstellen, dass von uns selbst die Rede ist, ja, von uns, die wir in diesem Raum versammelt sind.« Er lächelte vor Stolz über den Streich, den er seinem Publikum gespielt hatte und den dieses nun ebenso lustig finden sollte.
    »Wir können nicht verlangen, dass Politiker, Geistliche und andere hohe Würdenträger vorbildlich handeln, solange wir uns nicht selbst frohen Herzens in den Dienst des Guten stellen.« Er legte eine lange Pause ein, bevor er ergänzte: »Und nicht einmal dann dürfen wir uns zum Richter aufschwingen. Die Einzigen, auf die wir bedingungslos einwirken können, sind wir selbst. Nicht unsere Ehefrauen oder Ehemänner, nicht unsere Kinder, Angehörigen oder Freunde, Arbeitskollegen oder die Politiker, denen wir unsere Stimme gegeben haben. Natürlich dürfen wir ihnen unsere Meinung sagen und uns auch beklagen, wenn sie unserem Empfinden zuwiderhandeln. Wir können über unsere Nachbarn lästern« - hier suggerierte sein komplizenhaftes Lächeln, dass auch er dieser Untugend fröne -, »aber ihr Verhalten beeinflussen können wir nicht, jedenfalls nicht im positiven Sinne. Gutsein lässt

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