Brut des Teufels

weil Gosling einen Vertrag mit Frimost geschlossen hat oder weil sie sich in ein Monster verwandelt hat.«
    » Sie ist kein Monster, Jenny«, flüsterte Nightingale. » Ich habe sie kennengelernt, und ich kann dir sagen, dass sie kein Monster ist.«
    » Sie hat Kinder getötet«, entgegnete Jenny. » Mehr noch, sie hat sie abgeschlachtet.«
    » Hast du dir schon mal überlegt, dass das, was Gosling ihr angetan hat, vielleicht an allem schuld ist? Vielleicht hat ja der Verkauf ihrer Seele sie zu dem gemacht, was sie ist?«
    » Gosling hat deine Seele auch verkauft, aber du bist nicht zu einem Kindermörder geworden.«
    » Ich höre, was du sagst«, meinte Nightingale.
    » Aber du wirst trotzdem versuchen, ihr zu helfen, stimmt’s?«
    Nightingale lächelte schmallippig und nickte. » Sie ist mein Fleisch und Blut.«
    » Das war Gosling auch, und schau, was er dir angetan hat.«
    » Sie ist alles, was ich habe.«
    » Danke für die Blumen.«
    Nightingale stöhnte. » So habe ich das doch nicht gemeint, Kid. Ich meinte, sie ist die einzige Verwandte, die ich habe. « Er lächelte. » Gibt es vielleicht eine Chance auf einen Kaffee?«
    » Du kannst Buße für deine Kaltschnäuzigkeit tun, indem du zur Abwechslung einmal Kaffee für mich kochst. Für den Rest der Woche.«
    » Es ist erst Dienstag.«
    » Dann also nur drei Tage. Mit Milch und einem Stück Zucker.«
    Nightingale ging zur Kaffeemaschine und drückte seine Zigarette aus. » Du bist eine strenge Zuchtmeisterin, Jenny McLean«, sagte er. » Aber ich habe keine Ahnung, wie ich ohne dich zurechtkommen sollte. Wie geht es übrigens Bronwyn?«
    » Caernarfon Craig hat Kontakt mit mir aufgenommen. Aber bisher plaudern wir nur. Er fragt ständig nach persönlichen Einzelheiten, zum Beispiel meinem Haus oder meinem Auto, aber ich bleibe vage. Meistens unterhalten wir uns darüber, wie wir es anstellen würden, wenn wir den Entschluss fassten, allem ein Ende zu setzen. Er schickt mir Links zu Websites, wo man sich über all die fantastischen Möglichkeiten austauscht, die es gibt, wenn man sich umbringen will.«
    » Hat er um ein Treffen gebeten?«
    » Bisher noch nicht.«
    » Sei vorsichtig.«
    » Ich bin doch nicht dumm. Außerdem kennt er mich nur als Bronwyn.«
    » Und was hast du für einen Plan? Du willst einfach nur online mit ihm spielen?«
    » Nein, ich chatte mit ihm und hoffe dabei, dass er irgendeine Bemerkung fallen lässt, über die ich ihn identifizieren kann.«
    » Klingt gut. Sei einfach nur vorsichtig.«
    » Wer sagt das?«, fragte Jenny. » Wenn irgendjemand vorsichtig vorgehen muss, dann du.«

52
    Nightingale nickte zu den Anzügen hinüber, die bei dem einarmigen Banditen in der Ecke des Pubs standen. Beide Männer hatten ihre Aktentaschen auf den Boden gestellt und Häufchen von Pfundmünzen auf dem Spielautomaten gestapelt. » Was ist mit diesen beiden, Eddie?«, fragte er.
    Eddie Morris schüttelte den Kopf. » Nee, ich glaub nicht.« Er trank einen Schluck Lagerbier.
    » Sprechen Sie dem Hopfensaft nicht zu sehr zu«, sagte Nightingale. » Vielleicht brauchen wir hier ziemlich lange, und Ihre Gesichtserkennungsfähigkeiten werden bestimmt nicht besser, wenn Ihr Alkoholpegel steigt.«
    Morris runzelte die Stirn, das Glas dicht vor den Lippen. » Was?«
    » Wenn Sie sturzbesoffen sind, erkennen Sie niemanden«, erklärte Nightingale.
    Sie saßen in einem Pub, das nicht weit von der U-Bahn-Station Elephant & Castle entfernt war. Dort wollte Morris angeblich an dem Abend gewesen sein, an dem in ein Haus in Islington eingebrochen worden war. Die Polizei glaubte ihm seine Geschichte nicht, und nachdem sie zwei Stunden lang vergeblich nach jemandem Ausschau gehalten hatten, dem Morris im Gedächtnis geblieben war, überlegte Nightingale sich allmählich, dass sie vielleicht recht hatte. Der Wirt hatte gesagt, er erinnere sich nicht an Morris, und dasselbe hatten auch die drei Barkeeper erklärt, von denen zwei an dem Abend, an dem Morris da gewesen sein wollte, hinter der Theke gestanden hatten. Aber Morris bestand darauf, dass er unschuldig war, und Nightingale war bereit, ihm im Zweifel zumindest noch eine Weile zu glauben.
    » Ich komme mit meinem Bier schon klar«, entgegnete Morris. Er nickte zu der Flasche Corona hinüber, die Nightingale in der Hand hielt. » Sie haben früher auch einiges weggepichelt, wenn ich mich recht erinnere.«
    » Ja, ich trete jetzt ein bisschen kürzer«, antwortete Nightingale. » Ich war über der Promillegrenze