Buch des Flüsterns
gesagt hatte, aber er fühlte, als er die Hand mit der Partitur wedeln sah, dass alles richtig war, und weil der Totenmarsch fehlerfrei gespielt wurde, war er der einzig Glückliche bei diesem Umzug.
Als sie über die Bahnschranke schritten, übernahm Großvater, der auf jedwede Frage eines Zöllners, wäre eine solche gestellt worden, am besten hätte antworten können, die Kiste wieder von einem der Simons, welcher es auch immer gewesen sein mochte. Der Konvoi war endlos geworden. Die Leute folgten ihnen, traten aus ihren Höfen oder tauchten schlicht und einfach plötzlich inmitten der Menge auf. Einige fragten nach dem Namen des Toten, aber weil sie keine Antwort erhielten und nirgendwo den Tisch und die Kirchenfahne sahen, sondern an ihrer Stelle das Wägelchen des Halva-Verkäufers und die kugelförmig geschlossenen Hände der drei anderen Magier, gingen sie aus Neugierde mit. Andere, von denen man im Vorbeigehen nur einen Teil des Gesichts hinter einem Bretterzaun abwartend hatte stehen sehen, erkannten in dem Umzug vertraute Gesichter, die sie hinzuriefen. Manch einer reihte sich auch nur ein, um sich nicht allein zu fühlen, wieder andere sahen sich plötzlich mit eingereiht oder waren einfach vom Bürgersteig hineingeschubst worden. Auch gab es einige, die hatten die Neunte Symphonie erkannt, selbst in dieser reduzierten Form für Blechbläser; sie kamen mit der Erwartung hinzu, dass nach dem als Trauermarsch gespielten Andante der vierte Satz, die
Ode an die Freude
, beginnen werde, nur dass dieses Andante nicht mehr zu enden schien, und weil die Ränder immer steiler wurden, geradezu mauerartig, kamen sie nicht mehr heraus.
Der Konvoi wurde schmaler, damit er durch das Friedhofstor passte. Von oben betrachtet, sah er aus wie eine Sanduhr, bei der die Torpfeiler die Engstelle zwischen Stadt und Friedhof bildeten, den beiden Welten, und der Menschenstrom, verengt wie ein Sandfaden, floss aus einer Schale der Sanduhr in die andere. Wenn der gesamte Sand durchgeflossen ist, wird die Sanduhr umgedreht, und der Konvoi wird sich, der Welt der Toten ansichtig geworden, die bevorsteht, neu formieren und wiederum durch das enge Tor hinausziehen, die Straßen der Stadt und die Häuser bevölkern, die bis dahin verlassen worden waren, leer, Türen und Fenster im Wind auf und zu klappend und an die Rahmen schlagend.
Beim Betreten des Friedhofs schwiegen Mantus Bläser. Großvater, der den Weg am besten kannte, ging, die Kiste auf den Armen, voran, vorbei an der Kapelle, dann über die Hauptallee, wo vor allem Marmorkreuze standen, weiße oder schwarze, niemals gemischte, und hielt vor der leeren Gruft Seferians. Vorsichtig setzte er die Kiste ab und untersuchte den Deckel, damit sich dieser nicht öffne, die Antworten herauslasse und ihnen erlaube, sich kreuz und quer in der Welt zu zerstreuen. Und so, gut verschlossen, der Menge vorangetragen, die ihr auf ihrem Weg, den die Magier mit ihrem Pulver gebahnt hatten, gefolgt war, verwandelte sich die Kiste wieder in das, was sie von allem Anfang an schon gewesen ist, nämlich in den Schrein der erläuternden Gaben.
Dann warteten sie eine Weile, dass sich der ganze Konvoi versammelte, all die vielen verschiedenen Leute mit nackten Sohlen voller Dornen oder in blutige Lumpen gehüllt, gekleidet in verstaubte und verschwitzte Fetzen, die Schädel verwahrlost und gebeugt oder das Gesicht erhoben und vergeblich suchend zum Himmel gerichtet, mit dem Wanderstab herumstochernd, wo die Augen nichts mehr sahen, Kinder an die Brust drückend, einer den anderen stützend, die einen beim Gehen schlafend, denn ihr Weg im Konvoi war endlos.
Arșag, der Glöckner, der es nicht mehr durch die Menge schaffte, baumelte, die Hände fest um das Seil geklammert, und ließ die Glocke ohrenbetäubend läuten, als dröhnte es aus den Glockentürmen aller sieben Kirchen, und das Pendeln des Seils ließ ihn bis nah an Großvater und die anderen heranschweben, die einen stillen Kreis um den Schrein gebildet hatten. Dann ließ er das Seil los und kam herunter, ergriff den Weihrauchkessel und schwenkte ihn weit aus. Und der Pfarrer, es konnte Der Dagead, Der Mampre, Der Varjabedian, Archimandrit Zareh, die Altardiener unserer Kirche zur heiligen Maria aus Focșani oder jedweder andere Pfarrer aus der langen Reihe seit Gregor dem Erleuchter sein, oder sogar davor, vom Lehrer des Lichts her, er sang
I veri Ierusalem
und suggerierte damit, woher der Schrein gekommen war und wohin er zurückkehren
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