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Buch des Flüsterns

Buch des Flüsterns

Titel: Buch des Flüsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Varujan Vosganian
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einiges dazu, das Handwerk des Gerbers zu erlernen, das Zuschneiden und nach passendem Leisten einen Schuh anzufertigen. Die Werkstätten waren dem Erdboden gleichgemacht und von der armen türkischen und kurdischen Bevölkerung geplündert worden, während die Armenier am Stadtrand zu Konvois zusammengetrieben wurden. Mit dem von den Eltern erlernten Handwerk haben sich die Söhne vor dem Hunger gerettet. Und jeder seinen eigenen Weg nehmend, trafen sie tausend Kilometer weiter an der gleichen Kreuzung wieder aufeinander. Werkstatt an Werkstatt, Schusterei neben Schusterei auf der Hauptstraße von Focșani zwischen den jüdischen Geschäften. Die Juden sind gegangen oder aber sie haben ihre Geschäfte aufgegeben, die Läden der beiden sind geblieben. Eigentlich sind ihnen die Kunden geblieben, denn die Geschäfte liefen irgendwie illegal, ohne Firma und ohne Genehmigung. Umso verbissener und blindwütiger bekämpften sie sich gegenseitig. In letzter Zeit hatte Anton Merzian einen Vorteil errungen. Er hatte seine Söhne, Cocor und Dicran, bei der Handwerksgenossenschaft unterbringen können, und die brachten ihm abends Leder mit, Leim, Garn, Sohlen und Nägel, die sie in der heimischen Werkstatt brauchten. Krikor hatte gedroht, sie bei der Miliz anzuzeigen, bei der Securitate, den Finanzbehörden, überall. Bist du blöde?, fauchte Anton. Verhaften die nicht erst einmal dich, bevor sie mich abholen kommen? Wie steht es denn um deinen Betrieb? Krikor schluckte trocken, er hatte keine Kinder, die ihn unterstützen konnten, so saß er denn abends mit seiner Frau Paranțem, also Paraschiva, und zählte wütend die Kunden, die mit Taschen voller durchgelaufener Schuhe an Merzians Tür klopften.
    Vielleicht wird es Krieg geben ..., sinnierte Vrej Papazian.
    Wenn Krieg kommt, mischte sich Ovanes ein, werden sie schon genug gegeneinander zu kämpfen haben, da bleibt ihnen keine Zeit mehr, sich mit uns abzugeben.
    Krieg ist das Schlimmste, beschloss Dicran, der seit seinem Erlebnis mit dem sowjetischen Soldaten seine Lektion gelernt hatte und keine Uhr mehr am Arm trug. Wenn sie dich nicht absichtlich umbringen, bringen sie dich aus Versehen um.
    Wenn die Russen gegen die Amerikaner kämpfen, kommen die Amerikaner vielleicht doch noch, sagte Sahag, der immer noch seinem unerfüllt gebliebenen Traum nachhing.
    Bloß um uns die Totenglocken zu läuten, murrte Ovanes. Ich habe mein ganzes Leben nichts anderes getan, als auf die Amerikaner zu warten. Das erste Mal war ich noch ein kleiner Junge, es war 1909 in Adana. Als das Gemetzel begann, sagte Vater, wir sollten an den Hafen fliehen, denn bestimmt kämen die Amerikaner, um uns zu retten. Dann habe ich 1918 wieder darauf gewartet, dass sie uns vor den Türken und vor den Russen gleichermaßen retten. Und 1944, was soll man dazu noch sagen? ... Erinnere dich, Sahag, wie du eine Woche lang zwischen Fledermäusen und Totenkopffaltern auf dem Kirchturm ausgeharrt hast, damit du der Erste bist, der die ankommenden Amerikaner sieht. Und was blühte uns? Die Russen sind gekommen, und ihre Beinkleider platzten ihnen vor Verlangen nach Frauen, und ihre Rachen platzten ihnen vor Verlangen nach Wodka. Und dieser törichte Dicran Bedrosian lief ihnen wie ein Irrer entgegen, sie zu empfangen. Sie haben dir viel zu wenig weggenommen, die Armbanduhr, sie hätten dir auch die Hosen ausziehen sollen, damit du tatsächlich mit dem nackten Arsch hättest herumlaufen müssen. Die haben dir nicht genug angetan, denn sieh, du bist auch heute noch nicht zur Vernunft gekommen.
    Wenn ich sterbe, grämte sich Măgârdici, holt mir die Amerikaner her, damit sie mir die Totenglocken läuten. Damit ich wenigstens dann weiß, dass sie gekommen sind ...
    Letztlich geschah es auch so. Aber nicht die Amerikaner sind zu ihm gekommen, sondern er ist zu den Amerikanern, er ist in den siebziger Jahren mit der gesamten Familie ausgewandert. Was ihm nicht gut bekommen ist, denn er ist bald darauf gestorben, und von dem, der die Glocke läutete, bis zum Seil, den Sargbeschlägen und den Totenschmaushamburgern erwies sich alles rundum als amerikanisch.
    Ihr seid völlig übergeschnappt, beschloss Arșag. Über uns wird nichts als Ungemach kommen. So war es auch mit Sarajevo und mit dem Tod von Armand Călinescu. 3 Ich erinnere mich auch heute noch an die Erschossenen mit den Pappkartons auf der Brust.
    Wir müssen uns organisieren, intervenierte Großvater.
    Lasst uns den großen Kronleuchter und die silbernen

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