Buch des Flüsterns
er sich zappelnd, schrie und lachte durcheinander, sodass sie es vorzogen, ihn alles bis zum Ende vorlesen zu lassen, die Buchstaben, die man sehen konnte, und die überdeckten. Dann holte Mitică sich sein Schnapsfläschchen aus der Gerberkneipe und verbarg sich hinter den Zäunen, wo er ausgiebig trank und seine Brust versengte, damit wenigstens ein Teil der Schneemassen schmolz, die er in sich trug. Benommen zog er los, keuchte seine Lacher hervor. Begegnete er jemandem, so blieb er stehen und rammte diesem den Zeigefinger in die Brust. Schrie: Du wirst sterben! Dann der Nächste: Du wirst sterben! Du wirst sterben! Ich erzählte es Großvater. Er hat recht, antwortete dieser, Mitică hat vollkommen recht, und zwar bis zum Schluss. So verstand ich, dass die Menschen sich vor dem Tod fürchten, weil der Tod wahr ist.
Dann wurden jene Frauen plötzlich nützlich. Sie wussten alles. Wie das schwarze Handtuch über der Eingangstür anzubringen war. Dass man die Vorhänge zuziehen musste, damit das Sonnenlicht nicht bis zum Antlitz des Toten drang und es zerstörte. Wie die Spiegel mit schwarzen Tüchern zu verhängen waren, und dass derjenige unter den Verwandten des Toten, der in einen Spiegel schaute, innerhalb der nächsten sieben Jahre unweigerlich ins offene Grab gezerrt würde. Dass man sich weder die Hände noch das Gesicht waschen darf, dass man als Frau keinen Kamm durch die Haare führen darf und als Mann kein Rasiermesser über die Wangen, damit der Tod keine Krümel auf der Erde hinterlässt. Wie der Leib des Toten mit in Weihwasser und Nardeöl eingeweichten Tüchern unter den Achseln, im Gesicht und auf dem Bauch abgerieben werden muss, damit enttauft werde, was getauft war, das Grab sich tatsächlich und vollständig schließt und die Seele des Toten nicht auf der Erde herumirrt. Wie man ihm die Münze zwischen die Finger zu stecken hat, damit er seine Zollgebühr bezahlen kann, und die Hände über der Ikone gefaltet werden müssen zum Zeichen der Demut vor dem Jüngsten Gericht. Wie die Beine verschnürt werden müssen, damit der Leib bei der Messe ausgestreckt daliege, und wie sie anschließend wieder ausgewickelt werden müssen, damit ihn kein Bedauern auf dieser Erde zurückhält und er sich frei in jener anderen Welt bewegen kann. Wie die Totenwachtkerzen aufgestellt werden, wie der Docht mit der Schere abzuschneiden ist, damit nicht zu viel Licht, aber auch nicht zu viel Schatten entstehe, damit nicht zu viel Klarheit herrsche und sich nicht zu viel Rauch entwickele. Wie man das Grab verschließt, wie ein Leintuch nämlich, wie man die Erdklumpen auf den Sarg wirft, wie man den Wein darüber vergießt, wie man das Totengebäck verteilt, wie man die Sachen des Gestorbenen und die sauberen Handtücher verschenkt, mit an den Ecken eingeknoteten Münzen, wie man die Totenklage abhält, und wie man, auch in diesen Situationen, seine Wünsche ausspricht: Bereite Gott dir seine Tage! Diese nämlich, die der Tote nicht mehr hatte erleben können.
In diesen Dingen steckt ein Sinn. Die Zeremonien und Traditionen wurden geschaffen, um den Schmerz zu lindern. Man hat zu tun, sieht darauf, dass die Dinge gut laufen, hört auf das, was die anderen sagen, und achtet nicht mehr auf den eigenen Schmerz. Dann sind die Witwen von Nutzen, die den Tod riechen können, denn sie wissen, was sich gehört. Für den Mann, für die Frau, für denjenigen, der eines grausamen oder unangekündigten Todes gestorben ist, für den unverheirateten Jüngling und für das ledige Mädchen. Der leblose Mensch, der bis dahin ein bescheidenes und unauffälliges Leben geführt hat, bekommt nun den Augenblick seiner Größe. Die Witwen verrichten ihr Geschäft so, dass die Beerdigung für manch einen zum wichtigsten, wenngleich letzten Ereignis seines Erdendaseins wird. Wer Geld hat, wird im Leichenwagen davongefahren oder auf dem Lastwagen, der Sarg steht schön auf einem dicken und bunten Teppich, und ihm folgt die Schar der Trauernden, die sich angesichts der Zuschauer auf den Bürgersteigen in ihren schwarzen Kleidern für mindestens genauso wichtig halten wie den Toten, dann kommen die angeschwemmten Begleiter, Gaffer, Bedürftigen und Bettler, die auf die Leichenkrapfen aus sind und denen man die Handtücher mit den Münzen gibt und Krapfenstücke auf Papptellern reicht. Vorneweg aber, den Leichenzug eröffnend, schritt stets die Blechbläserkapelle des Mantu. Schöne, glänzende Instrumente, ohrenbetäubend und klagend zugleich,
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