Buch des Todes
als eine sehr schnelle, systematische Analyse von Daten.«
»Und Sie glauben, dass das in der Realität wirklich von Bedeutung ist?«
»Aber natürlich. Nehmen Sie sich selbst. Seit Sie hier sind, haben Sie sich mindestens fünfzehn Mal an einer ganz bestimmten Stelle an Ihrem Kopf gekratzt.Am Haaransatz über der Stirn. Natürlich kann das eine schlechte Angewohnheit sein, aber Menschen, die sich aus Gewohnheit am Kopf kratzen, kratzen selten immer an der gleichen Stelle.Was bedeuten kann, dass Sie sich dort aus einem anderen Grund kratzen. Dann die Art, wie Sie sich kratzen. Schnell, wobei Sie immer wegsehen. Ganz offensichtlich wollen Sie nicht, dass andere das bemerken. Daraus kann man ableiten, dass Sie über den Grund, weshalb Sie sich kratzen, nicht reden wollen. Ich denke, es handelt sich um eine Operationswunde. Und ich glaube, die meisten Menschen mit einer Operationswunde am Kopf haben eine Art Lebenskrise hinter sich.«
»Und die Scheidung?«
»Das ist einfacher. Sie sind im Laufe des Sommers geschieden worden. Sie haben noch immer einen weißen Streifen am Ringfinger.Also haben Sie den Ring bis in den Sommer getragen. Ihre Hände haben auf jeden Fall schon ein bisschen Farbe bekommen, bevor Sie ihn abgenommen haben. Natürlich können Sie ihn auch einfach nur zu Hause vergessen haben.Aber in Verbindung mit Ihrem Auftreten gibt es eigentlich keinen Zweifel.«
»Und wie trete ich auf?«
»Wie jemand, der gerne alles unter Kontrolle hat. Nicht Ihre Umgebung, sonst würden Sie mich nicht so frei reden lassen, wie Sie es tun.Aber sich selbst. Die Art, wie Sie weggesehen haben, als ich nackt war, obwohl Sie eigentlich lieber hingeschaut hätten, oder wie Sie den Raum studiert haben. Ich gehe davon aus, dass Sie eine wirklich schwere Krankheit hatten, die Ihnen das Gefühl gegeben hat, die Kontrolle über Ihr Leben verloren zu haben. In einem missglückten Versuch, die Kontrolle wieder zurückzugewinnen, sind Sie ausgezogen und wohnen jetzt allein.«
»Beeindruckend«, sagte er. »Aber was ist mit den anderen Dingen, die Sie über mich gesagt haben?«
»Dass Sie nur so getan hätten, als hätten Sie keine Lust auf mich? Wenn Sie keine Lust auf mich hätten, hätten Sie sich längst neben mich aufs Sofa gesetzt«, sagte sie und klopfte auf den freien Platz neben sich. »So viele andere Sitzgelegenheiten gibt es hier bei mir ja nicht.«
Er konnte sein Lachen nicht zurückhalten. Siri Holm war wirklich unterhaltend, das musste er offen eingestehen. Er traf nur selten jemanden mit so wenigen Hemmungen, wie sie sie hatte, insbesondere in seinem Job. Jemand, der so frei und treffsicher von der Leber weg redete. Überrascht über sich selbst, ging er zu ihr und setzte sich neben sie. Ihre Haare waren noch immer nass.
»Kommen wir zurück zum Fall«, sagte er. »Sie sagten, Sie glauben nicht, dass Vatten etwas mit dem Fall zu tun hat?«
»Nein, ich habe nicht gesagt, dass er nichts damit zu tun hat. Ich habe gesagt, dass er nicht der Mörder ist. Dass Sie die falsche Person verdächtigen.«
»Und auf was basiert dieser Glaube?«
»Sagen Sie mal, Singsaker, wollen Sie etwa, dass ich Ihre Arbeit mache?«
»Nein, das will ich nicht, aber wenn Sie Informationen über den Fall haben, muss ich Sie bitten, mir diese zu geben.«
»Ich habe keine Informationen, die Sie nicht auch haben. Für mich ist Jon aber definitiv nicht die Person, die einen Menschen köpft und häutet. Dazu ist er nicht in der Lage. Den Rest müssen Sie selber herausfinden.«
Er stöhnte resigniert, erkannte aber, dass er so nicht weiterkam.
»Sie scheinen wirklich eine gute Beobachtungsgabe zu haben«, sagte er. »Als Sie im Sicherheitstrakt waren und die Tote gefunden haben, haben Sie da irgendetwas bemerkt?«
»Was hätte ich bemerken sollen?«
»Zum Beispiel, ob ein Buch fehlt?«
»Das wäre mir nicht aufgefallen, da ich ja zum ersten Mal in diesem Bereich war.«
»Stimmt.«
»Denken Sie an ein spezielles Buch?«
»Nicht wirklich.Aber haben Sie vielleicht schon einmal vom Johannesbuch gehört?«
»Natürlich habe ich das.«
»Ist das so selbstverständlich?«
»Wenn man neu an der Gunnerusbibliothek ist, ist das selbstverständlich. Das Johannesbuch ist in unserer Branche wirklich prominent. Was mich angeht, kenne ich dieses Buch besser als die meisten anderen. Ich habe auf der Hochschule eine Semesterarbeit darüber geschrieben.«
»Interessant«, sagte er. »Und haben Sie jemals von dem Fluch gehört, der auf diesem Buch
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