Buchanan - 06 - Schattentanz
ihm einen verlegenen Blick zu. »Meine Frau sagt, ich solle mich vor meinem Ego hüten. Man hat mich zwar vorher übergangen, aber jetzt bin ich Chief, und ich könnte dazu überredet werden, es zu bleiben, wenn der Stadtrat das will.«
»Ich möchte mit Randy sprechen.«
»Das habe ich ihm gesagt, und er ist einverstanden.«
»Er ist einverstanden?« Noah spürte, wie ihm die Hitze am Nacken emporstieg. »Wo ist er?«
»Die Wahrheit?«
»Nein, Joe, lüg mich ruhig an.«
»Du brauchst dich gar nicht aufzuregen. Randy sucht nach seinem Bruder. Ganz ehrlich, er weiß nicht, wo J. D. ist, und er hat zu mir gesagt, er macht sich schreckliche Sorgen, dass er etwas Dummes angestellt haben könnte.«
»Über Dummheiten ist J. D. schon lange hinaus.«
»Er wird irgendwann auftauchen, und dann bringt Randy ihn auf die Wache, damit wir über alles sprechen können.«
»Sprechen? J. D. ist Verdächtiger in einem Mordfall.«
»In meinem Mordfall«, sagte Joe.
Noah ignorierte den Satz.
»Die Terminplanung hat sich nicht geändert, Joe. Randy hat bis morgen Zeit, um J.D. auf die Wache zu bringen.«
»Und wenn ich ihn nicht finde?«
»Dann tue ich es.«
21
Zum ersten Mal in seinem armseligen Leben hatte J. D. wirklich Angst. Dieses Mal hatte er sich seine Grube so tief gegraben, dass er nicht wusste, ob er jemals wieder herauskommen würde.
Das Problem war sein Auftraggeber. Der Mann ängstigte ihn zu Tode. Er brauchte ihn bloß auf eine ganz bestimmte Art und Weise anzusehen, und J.D. spürte, wie ihm das Blut in den Adern stockte. Diesen Blick kannte er aus dem Gefängnis. Lebenslängliche, die nichts mehr zu verlieren hatten, sahen einen so an. Töten oder getötet werden, das bedeutete der Blick.
Cal hatte ihm beigebracht, diesen Männern aus dem Weg zu gehen, und bei unzähligen Gelegenheiten hatte er ihn vor ihnen beschützt. Niemand legte sich mit Cal an – jedenfalls niemand, der seine sieben Sinne beisammen hatte.
Aber jetzt konnte Cal ihn nicht mehr beschützen. J.D. war völlig auf sich allein gestellt, und sein Boss verhielt sich nicht anders als die Killer, die er im Gefängnis gemieden hatte. Der Boss war sogar schlimmer als sie. J. D. hatte beobachtet, wie er den Professor hochgehoben und wie eine Fliege an die Wand geklatscht hatte. Es war nicht so sehr seine körperliche Kraft, die J. D. solche Angst machte, sondern der Ausdruck in seinen Augen, als er den Mann erwürgte. J. D. würde ihn sein Leben lang nicht vergessen.
Dieser MacKenna wurde aus Gier ermordet, und Gier hatte J.D. zu einem willigen Komplizen gemacht. Nun war es zu spät für Reue.
J. D. steckte in der Grube, und er spürte bereits, wie er darin erstickte.
Der Boss hatte J.D. befohlen, die Leiche loszuwerden und dafür zu sorgen, dass die Frau in der Stadt blieb, bis er herausfand, was sie wusste. J. D. war nur eine Methode eingefallen, das zu bewerkstelligen. Er wollte sie des Mordes bezichtigen, und sein Bruder würde sie dann einsperren. So sah jedenfalls der Plan aus, aber er war den Bach hinuntergegangen, weil die Frau die Leiche im falschen Bezirk gefunden hatte.
Er wusste, dass er überreagiert hatte, aber als er das Handy in ihrer Hand gesehen hatte, konnte er an nichts anderes denken als daran, es ihr wegzunehmen.
Nein, das stimmte so nicht. Er hatte gar nicht gedacht. Wenn er es getan hätte, wäre es nicht zu dem Fausthieb gekommen.
Und dann war er so dumm gewesen zu glauben, dass Maggie alles in Ordnung bringen würde. Schließlich war sie Polizeichefin, und er fühlte sich sicher in seiner Annahme, dass sie alles tun würde, was er ihr sagte.
Aber seine Pechsträhne nahm kein Ende. Maggie wurde gefeuert und konnte gar nichts mehr in Ordnung bringen. Und als ob das nicht schon genug wäre, hatte diese Buchanan auch noch Verbindungen zum FBI.
Er hatte Angst davor gehabt, dem Boss vom Bruder der Frau und dem anderen FBI-Beamten zu erzählen, der an ihr klebte wie eine Biene am Honigtopf.
Zum Glück wusste der Boss bereits vom FBI. Er sagte J. D., es spiele keine Rolle, wie viele FBI-Agenten in der Stadt seien. Er solle nur aufpassen, dass sie vor Ort bliebe, bis er sie alleine erwischen und befragen könne. Allein schon, wie er das Wort »befragen« betonte, hatte in J. D. den Wunsch geweckt wegzulaufen. Aber dafür war es zu spät. Viel zu spät. Dafür hatte der Zwischenfall mit Lloyd gesorgt.
Es war kein Zufall gewesen, dass J.D. Lloyd den Mechaniker gerade noch vor dem Verlassen der Stadt
Weitere Kostenlose Bücher