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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Kinderliebe, moralische Unterstützung für die amerikanische Automobilindustrie in ihrer schwierigen Konkurrenzlage gegenüber Japan, Anerkennung der Rechte sexueller Minderheiten, eine gelinde Ironie in bezug auf den Feminismus sowie die gelassene Zuversicht, daß Demokratie und jüdisch-christliches Wertebewußtsein letztendlich alles Übel dieser Welt in die Knie zwingen würden.
    Sein rechtes Auge aber war von ganz anderer Art. Es überhaupt Auge zu nennen fiel schwer. Aus der aufgerissenen Höhle mit Spuren von geronnenem Blut blickte Maria eine glasige runde Linse an, wie man sie vom weißen Star kennt, umrahmt von einer raffinierten metallenen Fassung, zu der, knapp unter der Haut, dünne Drähte führten. Aus dem Zentrum dieser Linse stach ein greller, roter Lichtstrahl hervor – was Maria erst bemerkte, als er sie ins Auge traf.
    Schwarzenegger lächelte. Dabei drückte die linke Gesichtshälfte das aus, was Arnold Schwarzeneggers Gesicht auszudrücken hatte, wenn es lächelte – etwas verstohlen Gewitztes, Jungenhaftes, eine Art, die einem sofort klarmachte: Dieser Mann war zu keiner Schlechtigkeit fähig, und wenn er doch einmal ein paar dieser Wichser ins Jenseits beförderte, dann erst, nachdem die Kamera etliche Male und aus verschiedenster Perspektive ihre grenzenlose Niedertracht festgehalten und bewiesen hatte. Doch das Lächeln betraf nur die linke Gesichtshälfte, die rechte blieb davon völlig unberührt – sie war kalt, konzentriert und greulich.
    »Arnold«, sagte Maria verwirrt, während sie auf die Füße zu kommen suchte, »Arnold, was soll das? Hör auf damit!«
    Doch Schwarzenegger antwortete nicht. Im nächsten Moment begann das Flugzeug sich wieder auf die Seite zu legen, so daß Maria die Tragfläche hinunterrutschte. Dabei schlug sie mit dem Gesicht mehrere Male gegen irgendwelche Ausbuchtungen, bis sie schließlich jeden Halt unter sich verlor. Ich falle! beschied sie sich und kniff die Augen zusammen, um nicht die Baumwipfel und Hausdächer auf sich zurasen zu sehen. Sekunden verstrichen, nichts passierte. Als Maria den Motor nach wie vor neben sich brummen hörte, öffnete sie die Augen einen Spalt.
    Da sah sie, daß sie unter der Tragfläche hing – die Kapuze ihrer Jacke hatte sich an irgendeinem unten angeklemmten Pflock verfangen, den sie erst allmählich als Rakete identifizierte. Ihr knolliges Vorderteil war der Antenne, mit der sie Minuten zuvor das Vergnügen hatte, nicht unähnlich, und Maria mußte annehmen, daß Schwarzenegger seine Liebesspielchen mit ihr weitertrieb. Das fand sie ein bißchen arg – gewiß hatte sie schon etliche Blutergüsse im Gesicht, und von ihren zerschundenen Lippen tropfte das Blut.
    »Arnold«, schrie sie und ruderte mit den Armen, um ihr Gesicht in Richtung Pilotenkanzel zu drehen, »hör jetzt auf! So macht es mir keinen Spaß! Hörst du? So bitte nicht!«
    Endlich gelang es ihr, die Kanzel und Schwarzeneggers lächelndes Gesicht in den Blick zu bekommen.
    »So macht es mir keinen Spaß, hörst du? Wenn dir das Spaß macht, mir tut es weh!«
    » No? « fragte er zurück.
    »Njet! Njet!«
    » O. k. «, sagte Schwarzenegger. » You are fired. «
    Im nächsten Moment sprang sein Gesicht zurück, und eine unvorstellbare Kraft trug Maria davon, das Flugzeug wurde in wenigen Sekunden zu einem winzigen Silbervogel, der nur noch über eine lange Rauchfahne mit ihr zusammenhing. Maria wandte sich nach vorn und sah die Spitze des Moskauer Fernsehturms Ostankino auf sich zukommen. Die Verdickung in seinem mittleren Teil wuchs ins Immense, und kurz vor dem Aufprall konnte Maria deutlich sehen, wie Leute in weißen Hemden mit Krawatten hinter einem Tisch saßen und verdutzt durch die dicken Scheiben starrten.
    Glas klirrte, etwas Schweres fiel zu Boden, dann hörte man es heftig weinen.
    »Vorsicht, Vorsicht«, sagte Professor Kanaschnikow. »Ja, so ist es gut.«
    Als ich begriff, daß keine Fortsetzung folgen würde, öffnete ich die Augen. Ich konnte schon wieder einigermaßen sehen – die Dinge in meiner Nähe waren sogar deutlich erkennbar, nur was weiter weg war, schien verschwommen, und insgesamt kam es mir so vor, als befände ich mich in einer riesigen Christbaumkugel, an deren Innenseite die Außenwelt aufgekleckst war. Vor mir ragten zwei Türme auf: Professor Kanaschnikow und Oberst Smirnow.
    »Tja«, kam eine Stimme aus der Ecke, »nun wissen wir, wie sich Arnold Schwarzenegger und Einfach-Maria kennengelernt haben.«
    Oberst Smirnow

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