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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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haben, tun Sie das bitte unverzüglich kund!«
    »Wie denn?« fragte der Stabshauptmann.
    »Heben Sie die Hände hoch!« befahl der Kahlkopf.
    Die Offiziere hoben die Hände; der Klang des auf den Boden fallenden Säbels fuhr mir durch Mark und Bein.
    »Raus hier«, sagte der Unbekannte, »und ich darf Sie sehr bitten, sich unterwegs nicht umzusehen. Das kann ich schlecht vertragen.«
    Die Offiziere ließen sich das nicht zweimal sagen. Mit Beherrschung, wenn auch etwas überstürzt, den halb ausgetrunkenen Wein und die im Aschenbecher vor sich hin rauchende Papirossa im Stich lassend, traten sie den Rückzug an. Als sie draußen waren, legte der Herr seine Revolver auf unseren Tisch und verbeugte sich vor Anna, die von seinem Auftauchen entzückt schien.
    »Anna«, sagte er und führte ihre Hand zu seinen Lippen, »welche Freude, Sie hier zu sehen.«
    »Guten Tag, Grigori. Sind Sie schon lange in der Stadt?«
    »Eben angekommen.«
    »Sind das Ihre Traber da draußen?«
    »Ja!«
    »Und Sie werden mich bestimmt zu einer Ausfahrt einladen?«
    Der Mann lächelte.
    »Grigori«, sagte Anna, »ich liebe Sie.«
    Nun drehte er sich um und hielt mir die Hand hin.
    »Grigori Kotowski.«
    »Pjotr Pustota«, antwortete ich und drückte sie.
    »Ach, Tschapajews Kommissar? Den es bei Losowaja erwischt hat? Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Es freut mich außerordentlich, Sie bei guter Gesundheit zu sehen.«
    »Ganz gesund ist er noch nicht«, sagte Anna und warf mir einen kurzen Blick zu.
    Kotowski setzte sich zu uns.
    »Was hattet ihr denn mit diesen Herren für ein Geplänkel?«
    »Wir stritten über die Metaphysik des Traumes«, sagte ich.
    Kotowski lachte auf.
    »Und solche Themen müssen Sie ausgerechnet in einer Provinzwirtschaft auftischen! Erinnere ich mich recht, daß die Geschichte in Losowaja auch mit einer Unterhaltung im Bahnhofsbüfett ihren Anfang nahm?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Er kann sich nicht daran erinnern«, sagte Anna. »Partieller Gedächtnisverlust. Kommt vor bei schweren Quetschungen.«
    »Ich hoffe, Sie werden bald ganz von Ihrer Verwundung genesen«, sagte Kotowski und nahm einen der Revolver vom Tisch. Er schob die Trommel zur Seite, spannte einige Male den Hahn und ließ ihn wieder fahren, fluchte dabei leise und schüttelte ungläubig den Kopf. Auch ich nahm mit Staunen zur Kenntnis, daß die Trommel vollständig mit Patronen gefüllt war.
    »Der Teufel soll diese Dinger aus Tula holen«, sagte er und blickte mich dabei an. »Nie kann man sich auf die verlassen. Einmal bin ich ihretwegen schon in einen Schlamassel geraten, ich kann Ihnen sagen.«
    Er warf die Waffe zurück auf den Tisch und schüttelte heftig den Kopf, als wollte er die düsteren Gedanken verscheuchen.
    »Wie geht's Tschapajew?«
    Anna winkte ab.
    »Er trinkt«, sagte sie. »Weiß der Teufel, was daraus noch werden soll, man kann es mit der Angst bekommen. Gestern ist er im bloßen Hemd auf die Straße gerannt, mit der Mauser in der Hand. Hat dreimal in die Luft geschossen, kurz überlegt, noch dreimal in die Erde geschossen und ist schlafen gegangen.«
    »Allerhand, allerhand«, murmelte Kotowski. »Fürchten Sie nicht, daß er in dem Zustand einmal das tönerne Maschinengewehr in Gang setzen könnte?«
    Anna sah schräg zu mir herüber. In dem Augenblick hatte ich das Gefühl, an diesem Tisch absolut überflüssig zu sein. Meine Gesprächspartner schienen diese Ansicht zu teilen – die eingetretene Pause wurde unerträglich lang.
    »Na, sagen Sie, Pjotr, was hielten die Herren denn von der Metaphysik des Traumes?« brach Kotowski schließlich das Schweigen.
    »Ach«, antwortete ich, »Gefasel. Die sind nicht sehr gescheit. Sie werden entschuldigen, ich brauche frische Luft. Mir tut der Kopf weh.«
    »Ja, Grigori«, sagte Anna, »laß uns Pjotr nach Hause bringen und dort entscheiden, was wir den Abend noch anstellen.«
    »Vielen Dank«, sagte ich, »ich finde allein nach Hause. Es ist ja nicht weit, ich hab mir den Weg gemerkt.«
    »Wir sehen uns später«, sagte Kotowski.
    Anna sah mich nicht einmal an. Ich war noch nicht vom Tisch aufgestanden, als die beiden schon ins angeregteste Gepräch vertieft waren. An der Tür drehte ich mich um: Anna lachte schallend und tätschelte Kotowski die Hand, als bäte sie ihn darum, eine zum Totlachen komische Geschichte bloß nicht noch weiter zu erzählen.
    Beim Verlassen des Restaurants sah ich eine leichte, gefederte Kalesche auf der Straße stehen, der zwei graue Traber

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