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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Laterne?« fragte Serdjuk verwundert.
    »Gehört sich so«, sagte der Wachmann, nahm eine der Laternen von der Wand und hielt sie ihm hin. »Den Schlips tragen Sie doch auch nicht wegen der Kälte.«
    Serdjuk, der sich heute morgen zum erstenmal seit Jahren einen Schlips umgebunden hatte, fand das Argument überzeugend. Ohnehin interessierte ihn, ob die Flämmchen in den Laternen echt waren.
    »Zimmer Nummer drei«, wiederholte der Wachmann. »Die Nummer ist japanisch gemalt. Drei Striche übereinander. Wie das Himmels-Trigramm aus dem I Ging, wenn Ihnen das was sagt.«
    »Ah!« sagte Serdjuk. »Alles klar.«
    »Und ja nicht anklopfen. Geben Sie nur zu verstehen, daß Sie da sind – husten Sie oder sagen Sie irgendwas. Man wird Ihnen antworten.«
    Wie ein Kranich stelzte Serdjuk, die Laterne in der ausgestreckten Hand, durch den Korridor. Das Gehen fiel schwer, die Matten unter den Füßen knirschten ungehalten, und bei der Vorstellung, daß der Wachmann ihm gewiß nachblickte und sich ins Fäustchen lachte, fühlte Serdjuk, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Hinter der eleganten Kurve lag ein halbdunkler Raum mit schwarzen Deckenbalken. Serdjuk konnte zunächst keine Türen erkennen, bis er sah, daß es sich bei den hohen Wandvertäfelungen um Schiebetüren handelte. An einer dieser Türen hing ein Zettel. Serdjuk hob die Laterne und erkannte die drei hingetuschten waagerechten Striche. Dies also war Zimmer Nummer drei.
    Von drinnen tönte leise Musik. Es spielte ein Saiteninstrument, dessen Klang fremd und ungewöhnlich war, die Melodie wehmütig und langgezogen, basierend auf merkwürdigen, irgendwie altertümlich anmutenden Harmonien. Serdjuk hustete kurz. Es gab keine Reaktion. Er hustete erneut, diesmal lauter. Beim nächsten Husten, befürchtete er, würde es ihn würgen.
    »Herein«, sagte eine Stimme von drinnen.
    Serdjuk schob die Wand vor sich nach links und blickte in ein mit schlichten, dunklen Matten ausgelegtes Zimmer. In einer Ecke saß, die bloßen Füße untergeschlagen, ein Mann im schwarzen Anzug auf einem Lager aus bunten kleinen Kissen. Er war es, der auf dem seltsamen Instrument spielte: einer Art Laute mit langem Griffbrett und kleinem Resonanzkörper. Auf Serdjuks Eintreten reagierte er nicht. Seine Gesichtszüge konnte man schwerlich mongolid nennen, eher hatten sie etwas Südländisches. (Serdjuks Mutmaßungen folgten sogar einer ganz bestimmten Route – es hatte irgendwie mit seiner vorjährigen Reise nach Rostow am Don zu tun.) Eine kleine elektrische Kochplatte mit einem voluminösen Topf darauf und ein schwarzes, stromlinienförmiges Faxgerät standen nebeneinander auf dem Boden, von letzterem führten Leitungen zu einem Loch in der Wand. Serdjuk trat ein, stellte die Laterne auf den Boden und zog die Tür hinter sich zu.
    Der Mann im Anzug zupfte eine letzte Saite und schaute auf, seine geröteten Augen schienen dem entschwebenden Ton das Geleit zu geben; dann legte er das Instrument vorsichtig ab. Seine Bewegungen waren äußerst akkurat und gemessen, so als fürchtete er einem im Raum Anwesenden, den Serdjuk nicht sehen konnte, mit einer schroffen, unbedachten Geste weh zu tun. Er zog jetzt ein Tuch aus der Brusttasche seines Anzugs, wischte sich die Tränen aus den Augen und wandte sich endlich zu Serdjuk um. Einige Zeit schauten sie einander an.
    »Guten Tag. Mein Name ist Serdjuk.«
    »Kawabata«, sagte der Mann.
    Er sprang auf, kam Serdjuk rasch entgegen und nahm ihn bei der Hand. Die seine war kalt und trocken.
    »Bitte, kommen Sie«, sagte er und zog Serdjuk buchstäblich auf das Kissenlager. »Setzen Sie sich. Ich bitte Sie, nehmen Sie doch Platz.«
    Serdjuk setzte sich nieder.
    »Ich …«, fing er an, doch Kawabata schnitt ihm das Wort ab – »Ich möchte nichts hören. Bei uns in Japan ist es Tradition – eine sehr alte Tradition, die bis heute lebendig ist –, daß man einem Gast, der mit einer Laterne in der Hand und Geta an den Füßen ins Haus kommt, als erstes einen heißen Sake kredenzt, denn draußen ist dunkle Nacht und schlechtes Wetter.«
    Mit diesen Worten ergriff Kawabata einen langen, aus dem Topf hängenden Faden und zog daran – eine gut verkorkte, bauchige Flasche mit kurzem Hals kam zum Vorschein. Urplötzlich standen auch zwei kleine, mit frivolen Zeichnungen geschmückte Porzellanbecherchen vor ihnen: Laszive Schönheiten mit unnatürlich hohen Brauen gaben sich ernsthaft dreinblickenden Herren mit kleinen blauen Mützchen hin. Kawabata füllte

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