Buerger, ohne Arbeit
Gesellschaft wies eine viel flachere Einkommensverteilung
auf als unsere heutige, weshalb weit mehr Homogenität und ein viel stärkeres Gefühl eines gemeinsamen nationalen Lebensstils
vorhanden war. Die Menschen in jenem egalitären Amerika schienen zufrieden mit ihrem Leben, ungeachtet der Tatsache, dass
sie nach modernen Maßstäben arm waren … Zwingt das nicht geradezu zu dem Schluss, dass eine relativ gleichmäßige Einkommensverteilung
zu einer glücklicheren Gesellschaft führt, selbst wenn damit keinerlei Steigerung des materiellen Lebensstandards einhergeht?
Anders ausgedrückt: Die Tatsache, dass sich die Menschen in den fünfziger Jahren
nicht
arm fühlten, stellt ein Argument für einen Egalitarismus dar, der selbst die Ansätze eingefleischter Linker an Radikalität
noch übertrifft.« Vgl. Krugman: Schmalspur-Ökonomie, S. 232, Hervorhebung i. O.
330
Siehe Sen: Ökonomie, S. 289.
331
Siehe Sen: Ökonomie, S. 13f., 351.
332
Zu dieser beliebten »Robinsonade« der Gerechtigkeitstheorie siehe jüngst Stefan Gosepath: Gleiche Gerechtigkeit. Grundlagen
eines liberalen Egalitarismus. Frankfurt a. M. 2004, S. 366. Sie paßt zu einer Methode, die die Grundprinzipien der Gerechtigkeit
»ganz abstrakt und ideal« ermitteln will, ausgehend von der »hypothetischen Situation einer ursprünglichen Verteilung« und
in gänzlicher Abstraktion von den realen Verhältnissen: »Daß die ökonomischen Ressourcen in der wirklichen Welt immer schon
unter den Personen ungleich verteilt sind, ist ein Faktum, von dem abzusehen ist.« (S. 350). Um so mehr überrascht die stehgreifartige
Auflistung der Kriterien für gerechtfertigte Unterschiede: Bedürfnis, Verdienst, Verantwortung und Effizienz (S. 351).
333
Dazu im Detail: Pierre Bourdieu: Le sens pratique. Paris 1980; dt. Ausgabe: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft.
Frankfurt a. M. 1987.
334
|411| Im selben Sinn auch Gosepath: Gleiche Gerechtigkeit, S. 390 bis 394.
335
Die Rede ist hier vom Markt als dem sozialen Zuchtmeister der Instinkte, als empirischer Tatsache, nicht vom »idealen Markt«
philosophischer Gerechtigkeitskonzeptionen. Die Verteilung von Einkommen und Anerkennung nach Knappheitskriterien hat an sich
nichts mit den Fähigkeiten und Qualifikationen der Individuen zu tun, liegt jenseits dessen, was sie verantworten können,
und ist insofern »unmoralisch«. Nur orientieren sich »wirkliche« Menschen an genau dieser Unmoral, die sie vorfinden und zu
der sie ein Verhältnis finden müssen. Sie nennen »clever« oder »gewitzt« denjenigen, der das Marktgeschehen »lesen«, Veränderungen
antizipieren kann, und billigen ihm für solche Geistesgegenwart eine Prämie zu – ganz unbekümmert um die Moral der Philosophen.
336
»Es ist nicht einzusehen, was die Verteilung von Einkommen und Besitz entsprechend der natürlichen Begabung der Verteilung
entsprechend historischen und gesellschaftlichen Begebenheiten voraushaben, und warum man sich damit abfinden sollte. … Wieweit
die natürliche Begabung entfaltet werden und zum ersehnten Erfolg führen kann, hängt von allen möglichen gesellschaftlichen
Bedingungen und klassenspezifischen Verhaltensweisen ab. Allein schon die Bereitschaft, sich Mühe zu geben und seine Kräfte
anzuspannen (nach landläufiger Auffassung die Voraussetzung für den Aufstieg), setzt bestimmte familiäre und soziale Umstände
voraus.« John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt a. M. 1975, S. 74. Zur Produktion »natürlicher« Unterschiede
ferner Pierre Bourdieu: La distinction. Critique sociale du jugement. Paris 1979; dt. Ausgabe: Die feinen Unterschiede. Kritik
der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M. 1984.
337
Die reine Theorie beschäftigt sich weniger mit dieser gestuften Verantwortung (und ihren Gratifikationen) als vielmehr mit
der Verantwortlichkeit und läßt nur solche sozialen Unterschiede gelten, für deren Zustandekommen die Menschen selbst verantwortlich
sind, im Guten wie im Schlechten. Der eine ist faul, der andere fleißig, dieser sparsam, jener verschwenderisch etc. Eine
Person, die sich in einer Position mit hoher sozialer Verantwortung befindet, hat berechtigte Ansprüche auf überdurchschnittliche
Einkünfte demgemäß nur, wenn sie diese Position einzig |412| dem ihr zurechenbaren Engagement verdankt und sie mit ganzer Energie und zum allgemeinen Nutzen ausfüllt. Die »praktische
Logik« nimmt es da
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