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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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es nicht, und was
     er weiß, klingt nicht nach Lösung:
»Es gibt kein ›soziales Subjekt‹, das eine Umverteilung der Arbeit politisch oder kulturell durchsetzen könnte …«
69 Die historische Flaute des Subjekts: Könnte sie vielleicht an falsch gewählten Zielen liegen, an wenig attraktiven? Ist |71| »Umverteilung der Arbeit« kühn genug gedacht, um Menschen für Neues zu begeistern? Alles spricht, erneut, für Inspektion.
    4. Wenn sämtliche kollektiven Hoffnungsträger verbraucht sind, bleibt nur das Individuum auf dem geschichtlichen Plan. Nur:
     An welches wendet man sich und mit welcher Absicht? Wozu ließe sich das banalisierte Individuum aufrufen? Verfügt es doch
     weder über »gute« Arbeit, die es mit anderen teilen könnte, noch kann (und darf) es seinen Job wie etwas Fremdes von sich
     abtun. Schließlich soll es Arbeiter bleiben! Auf dem Boden der Arbeitsgesellschaft müssen sich alle Erwartungen auf die Privilegierten
     richten. Sie allein erfahren Autonomie noch innerhalb der Heteronomie, nur sie könnten versucht sein, nach der ganzen Freiheit
     zu greifen. – Eine allzu vage Ambition. Denn dieselbe privilegierte Lage konserviert Ansichten und Bestrebungen, hält sie
     in der Umlaufbahn des Privilegs. Das soziale Vorrecht liebt die Gegenwart mehr als die Zukunft, und sofern es sich überhaupt
     an die Zukunft verschwendet, umgarnt es sie als fortgesetzte Gegenwart. Der Appell an die glücklichen Arbeitenden führt nur
     zur Steißgeburt der Utopie. Verzagt läßt Gorz von diesem falschen Trachten ab, um sich dem Individuum ohne fest umschriebene
     soziale Eigenschaften zuzuwenden. Das zeigt sich von seiner besten Seite, nämlich unbestimmt, zu vielem aufgelegt: »Individualisierung
     ist die Chance der Befreiung aus vielen Zwängen der Arbeit, der Familie, der Alltagskultur, aber birgt auch die Gefahr der
     Abkapselung, der Vereinzelung, der Zerstörung von Solidarität.« 70
    Welche gesellschaftliche Alternative sollte aus dieser Ambivalenz erwachsen? Keine bestimmte, würde der Gorz dieser Jahre
     zur Antwort geben. Individuum und Individualisierung verkörpern keinen konkreten Gegenentwurf zum krud Gegebenen. Das einzige
     Versprechen, das sie in sich tragen, ist nicht diese oder jene Alternative, sondern etwas viel Abstrakteres – die pure Möglichkeit
     von Veränderung, |72| Alternativität. – Und woraus schöpft das Individuum dieses fundamentale Vermögen? – Aus niemand anderem als aus sich selbst,
     aus dem Umstand, daß es Individuum ist, einmaliges, unverwechselbares Wesen, das heißt gerade aus dem Nichtzusammenfallen
     von Person und gesellschaftlicher Identität.
    5. Der vorläufig letzte, unsichere Garant des Neuen ist der »ureigene Riß« im Subjekt, der es daran hindert, in seinen gesellschaftlichen
     Rollen und Funktionen aufzugehen. In seiner Not, dem Neuen wenigstens einen Namen zu geben, überschreitet Gorz die Grenzen
     der Soziologie, flüchtet er sich zu einer behelfsmäßigen Anthropologie, die Sozialisierung wesentlich als Zwang begreift,
     als List, Verführung, Disziplin, erzieherische Vergewaltigung. 71 Nur in den Zwischenräumen des Systems, in den Lücken der Sprache behaupteten sich Reste von Zweifel und Eigensinn gegen die
     Verwüstungen der sozialen Welt. In diesem desperaten Panorama bedrohen, ja zerstören alle gesellschaftlichen Vermittlungen
     und Institutionen die moralische Integrität des Menschen, ist Moral nur außerhalb der Gesellschaft herstellbar. Einzig die
     singuläre Welt der ursprünglich gelebten Erfahrung legt noch Berufung gegen die massenhafte Verzwergung des Menschen ein.
    Gorz steht mit dieser Ansicht nicht allein. Zygmunt Bauman, ein anderer einflußreicher Soziologe unserer Zeit, teilt dieselbe
     Perspektive, wenn er die Distanz zum Feind der Moral erklärt, in der Gesellschaft nur den großen Menschenfresser sieht. Nur
     das aus der Gesellschaft herausgelöste Individuum sei zu Autonomie und Selbstbestimmung fähig. 72 Im Bann dieser Gleichsetzungen hat Soziologie nur eine Zukunft – als Dämonologie. Um die bösen Geister wieder aus dem soziologischen
     Denken zu vertreiben, muß man den Weg zurückverfolgen, auf dem sie Einzug hielten. Er führt zu den Megaverbrechen des zwanzigsten
     Jahrhunderts und zu einem Denker, der Soziologen wie kein anderer das Fürchten vor ihrem eigenen Gegenstand gelehrt hat.
    |73|
§ 9 Der Dritte; ICH und Ich
    1. Daß unser Bewußtsein von der Welt unsere Beziehung zur Welt niemals

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