Buffy - 22 - Spike & Dru
Sophie
spürte keine Reue.
Ihre Stadt so zu sehen vermittelte ihr zum ersten Mal tatsächlich das
Gefühl, dass sie in zwei Kriegen gleichzeitig kämpfte. Ich kann es mir nicht
leisten, auch nur einen zu verlieren, dachte sie. Während sie sich unauffällig
durch eine schmale Gasse in Flussnähe bewegte, schwor sie sich, nach
Spikes und Drusillas Tod Yannas Zustand und geistige Verfassung genauer
unter die Lupe zu nehmen. Dann wollte sie nach Kopenhagen zurückkehren,
um ihre Fähigkeiten gegen die Nazis einzusetzen.
»Für König und Rat«, hatte sie immer gesagt. Aber das Königreich war in
diesem Satz immer an erster Stelle gekommen. Wenn die Deutschen besiegt
waren, würde sie sich wieder dem Rat unterstellen. Aber erst dann.
Sie blieb stehen und drehte sich um, damit Yanna sie einholen konnte.
Sophie hatte sie gedrängt, in Ilse Skovgaards Wohnung zu bleiben. Bei ihrer
Ankunft in Kopenhagen war das Mädchen nicht auffindbar gewesen, und
niemand wusste, was aus ihr geworden war. Offenbar war sie eine Ballerina
und trotz ihrer Jugend recht berühmt. Aber sie war außerdem Jüdin, und
viele glaubten, dass sie wie viele andere Juden geflohen war. Wegen Hitlers
barbarischer Judenverfolgung waren sie in keinem von den Deutschen
besetzten Land mehr sicher.
Sophie zweifelte daran. Ilse war vielleicht geflohen, aber warum hatte sie
den Rat nicht informiert? Und was war aus ihrem Wächter geworden? Nein,
ihr kam es wahrscheinlicher vor, dass die Vampire das Mädchen aufgespürt
hatten. Nur dass Spike und Drusilla bisher noch nie besonders subtil
vorgegangen waren ...
Yanna hatte Verbindung mit dem Untergrund aufgenommen, der den
Juden bei ihrer Flucht aus Dänemark half. Währenddessen ging Sophie ganz
ihrer Bestimmung nach. Sie jagte Vampire. Es waren überraschend wenige
in der Stadt, und sie wusste, dass das nicht nur daran lag, dass sie Gorm vor
einem Jahr getötet hatte. Viele hatten Kopenhagen aus Furcht vor den
deutschen Soldaten verlassen. Andere, die Mutigen oder Leichtsinnigen,
waren geblieben, um den deutschen Soldaten nachzustellen.
In den zwei Nächten hatte Sophie drei pfählen können. Keiner von ihnen
hatte etwas über Ilse oder Spike gewusst.
Aber der Letzte hatte einen anderen Vampir erwähnt, einen uralten Riesen
von einem Blutsauger namens Thorvald.
»Sind Sie bereit?«, flüsterte sie Yanna zu.
Mit ihren leicht zerzausten Haaren und den Strähnen, die sich aus ihrem
strengen Zopf gelöst hatten und ihr ins Gesicht fielen, wirkte Yanna mehr
als nur ein wenig aufgewühlt. Aber sie presste ihre Lippen zu einem
grimmigen Strich zusammen und nickte. In der letzten Zeit hatten sie sich
irgendwie voneinander distanziert. Sophie fühlte sich noch immer für Yanna
verantwortlich, doch sie wusste nicht, ob sie diese Mauer des Schweigens je
wieder niederreißen konnten.
Ich hätte sie zwingen müssen, zu Hause zu bleiben, dachte Sophie. Aber
jetzt war es zu spät.
Sophie strich mit einer Hand ihre lange blonde Mähne zurück und zog mit
der anderen das Schwert aus der Scheide. Sie fuhr mit den Fingerspitzen
über die uralten eingravierten Symbole und schloss für einen Moment in
einem stummen Gebet die Augen.
»Gehen wir.«
Als sie sich der Hintertür des schäbigen Hauses näherten, in dem
Thorvald wohnen sollte, war Yanna direkt hinter ihr. Sophie trat die Tür auf
und stürmte in den Raum, der nur von dem grauen Licht erhellt wurde, das
draußen durch die Wolken sickerte. Ihre Augen brauchten einen Moment,
um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen.
»Yanna, halt«, keuchte sie.
Auf der anderen Seite des verwahrlosten, feuchten und stinkenden Raums
stand ein riesiger, langhaariger Vampir mit rotem Bart. Nach der
Beschreibung, die man ihr gegeben hatte, musste das Thorvald sein.
In der einen Hand hielt er Ilse Skovgaard an ihren dunklen Haaren.
Thorvalds Gesicht war zu einer grausamen Vampirfratze verzerrt, seine
Augen leuchteten gelb in der Dunkelheit. Ilse weinte laut und hemmungslos.
»Du bist also die Jägerin«, sagte Thorvald auf Altdänisch. »In all der Zeit,
die du hier warst, habe ich es geschafft, dir aus dem Weg zu gehen.«
»Und dennoch stellst du dich mir jetzt ohne Furcht entgegen.«
Thorvald lächelte nur durch seinen Bart wie ein alter Wolf.
»Ilse, dir wird nichts passieren«, redete Sophie beruhigend auf das
Mädchen ein.
Ein Hoffnungsfunke glomm in Ilses Augen auf.
Dann senkte Thorvald sein Gesicht hinunter zu ihrem
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