Buffy - 22 - Spike & Dru
von sechzehn Jahren, bei Bedarf älter aussehen konnte.
Denn sonst hätten sie in einer Nacht wie dieser vielleicht unwillkommenes
Aufsehen erregt. Er wusste, dass sie auch jetzt noch vorsichtig sein mussten,
stets auf der Hut vor den Nazi-Soldaten, die nach Einbruch der Dunkelheit
in der Stadt patrouillierten.
Charles hatte nur ein paar Schlucke von seinem Wein getrunken und
wenig gegessen. Ariana war seinem Beispiel gefolgt, obwohl sie jetzt ihr
Glas zu einem stummen Toast hob. Ein kokettes Lächeln spielte um ihre
Lippen, aber er wusste, dass sie nicht wirklich mit ihm flirten wollte. Sie
genoss nur den Moment.
Sie hatten einen Vampir entdeckt, der hier in der Altstadt sein Unwesen
trieb.
Obwohl er sich nicht mit dem Rat abgesprochen hatte, hatte Charles
entschieden, dass dieser Vampir der geeignete Kandidat für Arianas
Reifeprüfung war. Er war erst seit neun Monaten ihr Wächter, doch sie hatte
etwas derart Magisches und Anziehendes, dass er sich nicht vorstellen
konnte, dass ein anderes Mädchen als sie zur nächsten Auserwählten
berufen werden würde, wenn die Zeit kam. Seiner Einschätzung nach war
sie ein außergewöhnliches Mädchen.
»Auf deine große Nacht«, sagte er auf Französisch.
Scheu wandte Ariana den Blick ab, doch das Lächeln um ihre Lippen
verschwand nicht.
Als der Vampir auf der anderen Seite des Raums von seinem Tisch
aufstand, Hand in Hand mit der jungen Frau, die er umgarnt hatte, nahm
Ariana scheinbar keine Notiz. Aber ihr entging nichts. Charles beobachtete
fasziniert, wie sie den Vampir aus den Augenwinkeln verfolgte. Sie würde
eine hervorragende Jägerin abgeben, dachte er. Er hatte noch nie ein
Mädchen gesehen, das derart ausgeprägt über jene Fähigkeiten verfügte, die
für diese Aufgabe notwendig waren.
»Gehen wir«, sagte sie und ergriff seine Hand.
Er hatte für das Essen bereits bezahlt, und Charles widersprach nicht, als
sie ihn aus dem Restaurant und in das verwinkelte Labyrinth der Altstadt
zog. Fast zehn Minuten spazierten sie Hand in Hand durch die Gassen und
verhielten sich wie ein Liebespaar, während sie dem Vampir und seinem
auserwählten Opfer folgten. Sie passierten die St.Pierre-Kathedrale und
schlenderten weiter durch die Innenstadt, bis sie die Promenade de bastions
erreichten, mit ihren Überresten von Genfs ehemaliger Stadtmauer.
Der Vampir bog ab und führte sein Opfer in die Dunkelheit vor der
verfallenen Mauer. Der Blutsauger war gepflegt und dunkelhäutig, und die
junge Frau kicherte, als er sie in den Tod führte. Charles und Ariana gingen
Arm in Arm weiter, während sie ihren Kopf träumerisch an seine Schulter
legte.
Sie zählten bis zehn, vergewisserten sich mit einem schnellen Blick in die
Runde, dass keine deutschen Soldaten in der Nähe waren, machten dann
kehrt und rannten zur anderen Seite der bröckelnden Mauer. Sie bewegten
sich lautlos, wie er es ihr beigebracht hatte, und als er ihr einen Seitenblick
zuwarf, sah Charles, dass Ariana bereits einen Pflock in der Hand hielt. Er
war sehr stolz auf sie.
Dann drang aus der Dunkelheit hinter der Wand ein unterdrückter
Hilferuf, gefolgt von einem schmerzerfüllten Wimmern. Ariana stürmte los.
Charles wollte ihr hinterherrufen, dass sie warten sollte, aber er wollte den
Vampir nicht warnen. Während ihr Vorsprung wuchs, wuchs auch seine
Sorge, und er bereute es plötzlich, sie in diese Lage gebracht zu haben.
Ariana war zwar in der Ausbildung, aber noch keine Jägerin. Sie verfügte
weder über die Fähigkeiten noch das Durchhaltevermögen noch die
Heilkräfte, mit denen die Auserwählte versehen wurde.
Sie wusste, sie hätte auf ihn warten sollen. Er hatte ihr eingeschärft, dass
sie zusammenbleiben mussten, eben weil sie noch keine Jägerin war. Aber
das Jagdfieber hatte sie überwältigt, vielleicht auch der Wunsch nach seiner
Anerkennung, und er hatte Angst um sie.
Charles mobilisierte all seine Kraftreserven und rannte hinter ihr her.
Als Ariana um die Mauer bog, war er ihr dicht auf den Fersen, und als sie
beim Anblick des Vampirs stehen blieb, an ihrer Seite. Er war ihr Wächter.
Sie würde sich nicht allein der Finsternis stellen müssen.
Vor ihnen an der Mauer beschnüffelte der dunkelhäutige Vampir den Hals
seines Opfers. Die blonden Haare der Frau flogen hin und her, während sie
um sich schlug und sich loszureißen versuchte. Ariana und Charles
verlangsamten ihre Schritte und schwärmten aus. Jetzt zog Charles
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