Bullet Boys
Verwandlung. Alex kriegt in der Schule fast keinen Ton raus, aber hier schmeißt er die Party ganz alleine.
»Werd bloß nicht frech!«, sagt Sasha. Sie zeigt ihm auf ihrem Handy ein Bild von ihrem Kind, da schwingt die Kneipentür auf, knallt gegen die Wand und Levi kommt hereingewankt.
»Die Party kann losgehen«, lächelt er, eindeutig beschwipst. Hinter ihm kommen zwei Jungen und zwei Mädchen. Ich habe sie schon mal in der Schule gesehen, kenne sie aber nicht. Ich rücke ein bisschen zur Seite, um ihnen Platz zu machen, und bin froh, etwas Abstand zwischen Sasha und mich zu bringen.
Ich versuche etwa eine Stunde lang, Gefallen an dem Abend zu finden. Hätte eigentlich klappen müssen. Ich mag Levi und alle sind richtig gut drauf. Die Mädchen sind ziemlich hübsch und mächtig aufgetakelt, tragen kurze Röcke und Lippenstift, aber nachdem ich mir bei Sasha den Mund verbrannt habe, weiß ich nicht, was ich sagen soll. Ich sehne mich nach meinen Kumpels von der Risings. Gerry oder Francisco zum Lachen zu bringen war nie ein Problem. Aber mittlerweile scheint all mein Witz versprüht zu sein. Auf Levis Tischseite reden sie über Fußball, wozu mir nichts einfällt, und das Gespräch neben mir interessiert mich auch nicht: Da geht’s um Downloads und den neuesten technologischen Schnickschnack. Sasha hat offenbar irgendein neues Teil, sie lässt sich lang und breit über die Zukunft von digitaler Musik aus. Obwohl ich sicher bin, dass Alex keinen Schimmer hat, wovon sie redet, nimmt er jedes Wort von ihr so begierig auf, als spräche Bill Gates persönlich. Ich sehe, dass Levi die beiden beobachtet. Er fängt meinen Blick auf und guckt zur Seite.
Okay, genug. Jetzt steige ich ein. Ich spreche die beiden Mädchen mir gegenüber an, frage sie, ob sie Hip-Hop mögen,und erzähle ihnen von meiner Musik, aber sie hören mir gar nicht richtig zu. Sie gucken andauernd zu den Soldaten rüber und kichern und tuscheln dabei. Ein Soldat mit Glatze erwidert ihre Blicke, zwinkert und bringt sie zum Lachen. Das ist alles? Ein Zwinkern? Kein Wunder, dass wir seit Tausenden von Jahren in einer patriarchalischen Gesellschaft leben. Ein Zwinkern und die gesamte weibliche Gattung liefert sich lebenslänglicher Unterdrückung aus.
Ich will gerade aufgeben und nach Hause gehen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre.
»Komm, Bruder.« Levi grinst triefäugig zu mir runter. »Wir holen uns mal was Richtiges zu trinken.«
ZWEITES BLUTVERGIESSEN
Alex erkannte Saul als ersten. Auch in sauberer Zivilkleidung und ohne Tarnfarbe sah er ziemlich genauso aus wie unten am Fluss. Die beiden anderen hatten sich jedoch verändert. Erst als Alex das Tattoo auf dem Handgelenk des einen Soldaten entdeckte, war ihm klar, um wen es sich handelte. Mit seinem makellosen blassblauen Hemd, der Goldkette, dem sonnengebräunten lachenden Gesicht ähnelte Baz in keiner Weise dem wilden hysterischen Soldaten, den Alex im Moorland gesehen hatte. Und Riley mit dem gestreiften, in der Khakihose steckenden Polohemd, der Bier trank und Mädchen zublinzelte, war so anders als der wütende, aggressive Bruder vom Fluss. Alex spürte ein nervöses Kribbeln in seinem Bauch und wendete den drei Soldaten entschlossen den Rücken zu. Baz konnte ihn vielleicht wiedererkennen, auch wenn es im Innern der Buche stockdunkel gewesen war und er bestimmt nicht viel gesehen hatte. Trotzdem wollte Alex nach Hause gehen, sofort. Aber wie konnte er das tun, ohne Aufmerksamkeit zu erregen? Er überlegte, was an jenem Tag wohl geschehen sein mochte, als die Soldaten in der Kaserne eingetroffen waren. Hatte der Obergefreite sie gedeckt, nachdem sie dieWaffe wiederhatten? Soweit Alex wusste, war es für Soldaten ein Unding, ihr Gewehr zu verlieren.
Er hörte, wie sich die Soldaten hinter ihm unterhielten. Sie lachten über ein Spiel, das sie »eine Sau nageln« nannten. Offenbar hatte jeder von ihnen fünf Pfund in eine Kasse gezahlt. Das Geld bekam, wer das hässlichste Mädchen erwischte.
Und dann war da noch Max, der inzwischen Bier schluckte wie ein hartgesottener Trinker. Er wurde immer lauter und gab sich alle Mühe, bei den Mädchen Eindruck zu schinden. Alex versuchte, sich abzulenken, indem er Sasha zuhörte. Sie kannte offenbar die anderen Mädchen nicht. Die drei hatten einander freundlich angelächelt, aber das war’s schon gewesen. Und als die Mädchen gingen, verabschiedeten sie sich nicht einmal.
»Meine Freundinnen sind alle schon mit der Schule fertig«,
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