Bullet Boys
Er wirft Andrea einen vorwurfsvollen Blick zu. »Ich wollte dich bitten, mein Trauzeuge zu sein.«
Ich platze fast vor Stolz. »Hättest du nicht lieber einen von deinen Offizierskameraden?«
»Natürlich nicht«, lächelt Simon. »Du bist schließlich mein Bruder.«
»Das ist so üblich, denke ich«, sagt Mutter, die Kuh.
»Aber dann trinkst du keinen Alkohol!«, lächelt Andrea. »Ich möchte auf meiner Hochzeit KEINE Prügelei erleben, da wäre ich dir sehr dankbar.«
Es folgt eine lange, hässliche Stille. In den Augen meines Vaters blitzt Feuer auf.
»Von was für einer Prügelei ist hier die Rede?«, fragt er mit heller, klarer Stimme, die einer äußerst dünnen und scharfen Klinge gleicht. »Max?«
Andrea lacht mädchenhaft. Ich glaube, sie ist ein verkappter Teufel. Hinter diesen Möpsen und diesen Beinen versteckt sich ein fieser, lachender, verdorbener Kobold.
»Ihr habt doch sein Auge gesehen, oder?«, sagt sie. »Oh nein!« Sie schlägt sich in gespieltem Entsetzen die Hand vor den Mund. »Habe ich etwa die Katze aus dem Sack gelassen? Was hat er euch denn erzählt? Dass er gegen eine Tür gelaufen ist?«
Mit meinem einen guten Auge sehe ich, dass Simon, das Schwein, Andrea UNSER Zeichen macht: Er zwinkert ihr zu. Verräter!
»Max?«, fragt Dad noch einmal im Ton eines guten Polizisten.
Mich umfängt erwartungsvolles Atmen meiner Familie. Draußen donnert ein Flugzeug über den Himmel. Wie komme ich da raus? Muss ich einen spektakulären Stunt hinlegen? Ich kann ihnen schließlich nicht die ganze Geschichte auf einmal präsentieren. Das wäre, als würde man dem Feind die Munition zum Schießen liefern.
»Also, ich würde es ja nicht mit einem Trupp Soldatenaufnehmen«, gibt Andrea zum Besten und wirft mir einen amüsierten Blick zu. »Immerhin hat er Mut gezeigt, nicht wahr?«
»Bitte führe das etwas näher aus«, sagt Dad. Gott, wie ich ihn hasse.
Soll ich versehentlich meine Haare in Brand stecken? Könnte ich so tun, als hätte ich plötzliche Darmprobleme? Oder einen epileptischen Anfall?
»Was hast du denn nun wieder angestellt?«, fragt Mutter bitter.
In dem Moment beschließe ich, die Wahrheit zu sagen, denn das wird sie am meisten verletzen.
»Ich bin in eine Schlägerei geraten«, sage ich. »Ich habe das Gedenken an unsere glorreichen Vorfahren mit meinen körpereigenen Säften besudelt und einem Soldaten den Kopf in den Magen gerammt.« Ich lehne mich zurück, schiebe meinen Teller von mir und falte die Hände.
»Noch Fragen?«
FACHOBERSCHULE
Als Alex das Futter in die Trichter kippte, scharten sich die jungen Vögel um ihn. Sie hatten insgesamt etwa fünftausend Vögel in verschiedenen Gehegen auf dem langen Feld neben der Kate. Die meisten davon waren mit Netzen bespannt, damit Raubvögel wie Raben oder Bussarde sich nicht an den jungen Vögeln vergreifen konnten.
»Letzte Nacht haben wir acht verloren«, seufzte Tim und füllte die Wasserbehälter. »Sie lagen tot da.« Alex blickte hinüber zu den schlaffen braunen Vogelkörpern vor dem Gehege. Er würde sie später verbrennen.
»Ratten?«, vermutete Alex. »Die Kälte?«
»Es ist nicht wirklich kalt.« Tim ging zum nächsten Trichter. »Ich hatte gehofft, ich könnte die hier nächste Woche rauslassen.«
»Wir gucken mal, ob wir Ratten finden«, sagte Alex. »Ich bin sicher, unter den Futtertonnen ist ein Nest. Wir könnten Sparky holen.« Sparky war der Terrier von Jason, dem Bauern. Er hatte einen unstillbaren Durst auf Rattenblut und konnte binnen zwei Stunden vierzig bis fünfzig Ratten erledigen.
»Musst du heute nicht zur Schule?« Tim schaute zu, wiesein Sohn Federn aus den Futtertrichtern sammelte. »Du solltest mit deinen Kumpels unterwegs sein, statt hier Schädlinge zu vernichten.«
Alex zog die Schultern hoch. Seit letztem Freitag war er nicht mehr so scharf drauf, mit seinen »Kumpels« abzuhängen. Max war dermaßen ausgerastet! Noch nie hatte Alex jemanden so angebrüllt. Als er Max am Hemd gezerrt hatte, hatte er einen unglaublichen, beinahe furchterregenden Zorn verspürt und der hatte Wirkung gezeigt. Max hatte zugelassen, dass sie ihn in ein Taxi setzten, ihn anschnallten und losschickten. Danach wollte Sasha ganz schnell nach Hause.
»Sammy wacht immer um Mitternacht auf«, hatte sie gesagt und war eilig die Straße langgestapft. »Der dreht durch, wenn ich dann nicht da bin.«
Das war alles andere als romantisch. Aber große Hoffnungen hatte er sich ja auch nicht gemacht.
»Ich muss erst
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