Bullet Catcher: Jack (German Edition)
bedeutete ihr, ihm voran in den Kontrollraum zu gehen. »Na, dann wollen wir mal loslegen, ein Attentat zu planen, Ms Sharpe.«
Er blieb ein paar Schritte hinter ihr, um sie beim Gehen zu beobachten. Solange er dem Ganzen eine spielerische, anzügliche Note gab, würde sie die Wahrheit nie erfahren. Und das durfte auf keinen Fall passieren, denn sonst würde sie ihn zum zweiten Mal zum Teufel schicken – und zwar diesmal endgültig.
Theo Carpenter formte mit seinen Fingern das imaginäre Objektiv einer Kamera und presste sie gegen das Autofenster, um sein Motiv ins Visier zu nehmen. Im Kopf spulte er Regieanweisungen ab: Ein bedrückender, grauer Schleier liegt über den Blue Ridge Mountains, während die Kamera zurück auf die massive Steinmauer mit der silbernen Tafel schwenkt.
Cedar-Lawn-Friedhof.
Einsatz getragene Musik, dann Schnitt und …
»Theo! Steigst du jetzt bitte endlich aus dem Wagen?«
Close-up auf die trauernde alte Schachtel mit dem säuerlichen Gesichtsausdruck.
»Theo! Ich rede mit dir! Kommst du jetzt bitte endlich ans Grab deiner Schwester und betest!«
»Oh, Jesus!« Er schnaubte. »Siehst du, ich habe gebetet.«
Die Enttäuschung auf dem Gesicht seiner Mutter verwandelte sich in offenen Unmut, als sie ihre schmale Oberlippe kräuselte und ihre stumpfen braunen Augen zu Schlitzen verengte. »Schön. Dann bleibst du eben sitzen. Kristen wäre fassungslos, wenn sie wüsste, dass du ihr zwei Monate nach ihrem Tod nicht die Ehre erweist und zum Grab kommst.«
Ein Akt der Heuchelei, der diesem ganzen verlogenen Mummenschanz endgültig die Krone aufsetzen würde.
»Mom, Kristen ist nicht hier. Ich glaube, ihr wäre es scheißegal, wenn ich mich neben einen Haufen Asche knien würde, der genauso gut von jemandem stammen könnte, der zufällig in der Trauerhalle Zigarre geraucht hat. Lass mich einfach in Ruhe. Ich arbeite an einem neuen Drehbuch und muss nachdenken.«
»Denk lieber darüber nach, in deinen alten Job zurückzugehen!«
Er hätte diese Zeile nicht besser schreiben können. Und dann auch noch diese Performance: dieser schneidende, böse Unterton, dieses wundervolle Fauchen. »Geh nur beten, liebste Mutter. Ich bin sicher, du hast einen direkten Draht zu Gott.«
»Ich rede nicht mit Gott«, sagte sie ruhig. »Ich versuche, mit meiner Tochter zu reden.«
»Technisch gesehen ist sie ja gar nicht deine Tochter.« Er ließ keine Gelegenheit aus, um darauf hinzuweisen, dass Kristen ein Adoptivkind war.
»War«, korrigierte seine Mutter ihn und zog leidend die Augenbrauen zusammen. »Aber ich vermisse sie trotzdem.«
Sie wuchtete ihren massiven Matronenhintern aus der Limousine und schleppte sich durch den Regenschleier, bis sie, gramgebeugt, hinter der Friedhofsmauer verschwand.
Wie würde sie wohl reagieren, wenn sie die Wahrheit erführe?
Schwer zu sagen. Die Trauer über den Tod ihrer Tochter war zu ihrem Lebensinhalt geworden, sie redete praktisch über nichts anderes mehr. Es war fast so, als hätte ihr Leben erst jetzt wirklich einen Sinn. Was auch immer andere erlebt und erduldet hatten, nichts war so schlimm wie der Verlust eines Kindes. Plötzlich war sie im Kreis ihrer alten Freundinnen eine Berühmtheit, in der Kirche gab es Vorzugsbehandlung – und vor allen Dingen war die wichtigste und mächtigste Person des Universums nach der Beerdigung noch mit nach Hause gekommen. Roanoke würde nie wieder derselbe Ort sein.
Sie sollte Theo dankbar sein.
Sie sollte ihm danken, dass er sie durch seinen brillanten Plan in diese Position gebracht hatte. Es hatte alles genauso funktioniert, wie er es sich vorgestellt hatte, und er empfand keinerlei Reue. Er hatte nur die Welt ein bisschen besser gemacht. Für ein paar Menschen, die er liebte. Die er wirklich ernsthaft liebte.
Es war nicht schön gewesen, aber richtig.
Außerdem, dachte er selbstgefällig, hatte es der süßen kleinen Kristen noch nicht einmal wehgetan. Sie hatte nicht die geringsten Schmerzen verspürt. Das war das, was wirklich wichtig war.
Jetzt, nach zwei Monaten, waren sämtliche Formulare ausgefüllt und unterschrieben, sie war beerdigt, und das Verfahren wegen Fahrerflucht offiziell eingestellt worden. Jetzt war es Zeit für Phase zwei. Den nächsten Mord.
Diesmal würde es wehtun.
Theo durchfuhr ein Schauder der Erregung.
Der Rächer. Dieses Drehbuch würde er verkaufen, ganz sicher. Was würde daraus für ein Film werden! So etwas hatte es noch nie gegeben – man würde ihn als visionären Autor
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