Bullet Catcher: Wade (German Edition)
aufreizend bedächtige Südstaatler-Entspanntheit war genau das Gegenteil von dem, was sie sonst an Männern attraktiv fand.
Warum hatte er dann eine solche Wirkung auf sie?
Er mochte sie noch nicht einmal. Sie fluchte ihm zu viel, sie war ihm zu ungestüm und keine Lady . Auch wenn er das noch nicht offen gesagt hatte, so bemerkte sie doch sein Missfallen und dass er jedes Mal die Augen verdrehte, wenn sie Scheiße sagte. Sie war nicht sein Typ.
Genauso wenig wie er ihrer war. Und trotzdem hatte sie jeden Kuss und jede Berührung genossen, die sie bei dieser Scharade am Abend zuvor »gespielt« hatten. Beim Anblick seiner Hände musste sie daran denken, wie er ihren Körper erkundet hatte, und wenn sie seinen Mund sah, sehnte sie sich danach, ihn erneut auf ihrer Haut zu spüren. Dabei schien es keine Rolle zu spielen, ob er ihr Typ war oder sie seiner.
Hatte sie etwa schon so lange keinen Sex mehr gehabt, dass sie sich auf einen Kerl stürzen würde, den sie im Grunde genommen furchtbar fand und dessen Erektion wahrscheinlich nur eine gekonnte – wenn auch überaus gekonnte – Tarnung gewesen war?
Oh ja .
Vanessa senkte die Speisekarte, bis sie einen guten Blick auf die Frau hatte, die sich Wade gerade von hinten näherte. Noch ehe sie ihn ansprach, wandte er sich zu ihr um und musterte sie mit einem Lächeln, das keinen Zweifel daran ließ, dass ihm gefiel, was er sah.
Das Mädchen war wirklich umwerfend. Etwa fünfundzwanzig, in einem eng anliegenden Neckholder-Top und Shorts, die nur knapp ihren Hintern bedeckten. Kastanienbraunes Haar fiel in Wellen über ihre gebräunten Schultern.
Wade bot ihr lächelnd seinen Barhocker an. Die Frau setzte sich mit dem Rücken zu Vanessa, doch sie konnte Wades strahlendes Gesicht sehen, als er etwas zu dem Mädchen sagte. Die Angesprochene lachte, warf ihr Haar zurück und nickte aufgeregt.
Wade lachte ebenfalls, vermutlich dieses tiefe, erotische Glucksen, das sie schon, wenn auch nicht oft, von ihm gehört hatte. Er beugte sich näher zu der jungen Frau, um ihr etwas ins Ohr zu sagen, woraufhin sie wieder kicherte. Das war’s. Sie war ihm verfallen. Er nahm einen Schluck Bier und winkte dem Barmann, um ihr etwas zu trinken zu bestellen.
Was hatte er vor? Er sollte sich doch eigentlich nach schwulen Jungs umsehen, die Clive getroffen haben könnten, statt mit diesem Mariah-Carey-Double anzubandeln.
Sollte sie vorbeischlendern und ihm einen vernichtenden Blick zuwerfen? Sollte sie ihn anrufen? Mit der Speisekarte fuchteln? Glaubte er wirklich …
Ein Teller mit Fischsuppe wurde unsanft vor ihr auf den Tisch gestellt.
Sie hob den Kopf in der Erwartung, den Kellner zu sehen, doch vor ihr stand ein älterer Mann. Mit seinen abgespannten, blassen Gesichtszügen wirkte er an diesem Ort fehl am Platz; er war weder Einheimischer noch Tourist, noch – das sagte ihr ihr Gefühl – ein Kellner …
»Entschuldigen Sie«, sagte Vanessa und löste den Blick von Wade und seiner neuen Freundin. »Das habe ich nicht bestellt.«
»Aber Sie hätten es gern.«
Sie warf ihm ein knappes Lächeln zu. »Es ist ziemlich heiß für Suppe. Also, nein danke.«
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?« Er nahm ihr gegenüber Platz und verdeckte ihr damit den Blick auf die Bar.
»Ich warte auf jemanden«, sagte sie schnell und rutschte mit ihrem Stuhl zur Seite. Er sollte wissen, dass sie lieber die Leute auf der Terrasse beobachtete, als sich auf eine Plauderei mit einem Fremden einzulassen. Sie sah gerade noch, wie die junge Frau ihre Hand auf Wades Schulter legte und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
Der Mann beugte sich nach rechts, sodass sie nicht sehen konnte, wie Wade reagierte.
»Ich weiß, auf wen Sie warten«, erklärte der Fremde.
Damit war Vanessa wieder voll bei der Sache. Der Mann stützte sein Kinn auf die Fingerknöchel und blickte sie unverwandt an. Mit seinem faltigen Gesicht, dem maßgeschneiderten Anzughemd und den gelblichen, aber gepflegten Fingernägeln wirkte er deplatziert in dieser Bar – er hätte eher an den Konferenztisch im Büro von Razor & Partner gepasst.
»Und ich weiß, wo er sich befindet.«
Ihr Herzschlag beschleunigte sich. »Wirklich?«
»Sie haben noch … «, er blickte auf seine teure Armbanduhr, »… eine Stunde bis zum ersten Rennen.«
Rennen? »Wovon reden Sie?«
»CliveEasterbrookhatüberhunderttausendDollaraufCalloway’sGirlgesetzt,einehübscheVollblutstute,dieguteSiegchancenhat.SieläuftheutebeimviertenJockey-Club-Rennen.«
Clive
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