Burke 2 - Strega
Führerscheine. Wenn ich die Papiere zurückkriegte, würde ich sie mehrfach gewinnbringend auswerten – Pässe, Krankengeld, Arbeitslosenhilfe. Solange man dabei nicht zu gierig wird, läuft es ewig. Schließlich checkte ich meine Mietliste. Ich habe ein paar Wohnungen quer in der ganzen Stadt verstreut – wenn ein Bewohner in einem Haus mit Mietpreisbindung stirbt, ruft mich der Verwalter an, Geld wechselt den Besitzer, und ich bin der neue Bewohner. Dann untervermiete ich die Wohnung an Yuppies, und die zahlen das Zigfache der Grundmiete, fest davon überzeugt, daß sie das System geschlagen haben. Michelle bedient für mich das Telefon. Ich teile die Miete jeden Monat mit dem Verwalter, und jeder freut sich. Früher oder später findet der Besitzer raus, was abläuft, und strebt eine Räumungsklage an. Dann sind die Yuppies auf sich gestellt. Ich kassiere keine Miete mehr von ihnen. Aber ich zahle ihnen auch keine Kaution zurück.
Ich nahm Pansy mit runter zu den Piers am Hudson und ging mit ihr Gehorsam ohne Leine durch, um sie in Schwung zu halten.
Dann nahm ich sie mit zu Pops Pool-Halle und ließ sie mit bitterbösem, mißbilligendem Blick zusehen, während ich fünfzig Kröten an einem Tisch im Rückraum verjubelte. Demjenigen direkt unter dem ›Kein-Glücksspiel‹-Schild.
Zeit totschlagen. Fällt ’ne Ecke leichter, wenn du nicht in der Zelle bist.
Am nächsten Nachmittag um vier parkte ich den Lincoln auf dem Platz am Gericht. Immaculata war auf dem Vordersitz neben mir. Max lag hinten unten, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, ins Nichts starrend.
»Möchtest du es noch mal durchgehn?« fragte ich Mac.
»Ist nicht notwendig, Burke. Ich weiß, was du möchtest. Aber es ist, wie ich gesagt habe – Offenbarungen kommen oft langsam.
Ich kann dir nicht versprechen, daß mir das Kind beim ersten Gespräch alles erzählt.«
»Wie lange dauert es?«
»Das hängt vom Kind ab ... von dem Ausmaß des Traumas.
Manche Kinder erzählen nie alles.«
»Kannst du ihm nicht ein bißchen Druck machen?«
Macs Augen verengten sich. »Natürlich könnte ich das. Aber ich würde nicht. So arbeiten wir nicht. Dieses erste Gespräch – das, bei dem wir uns versichern, daß das Kind sexuell mißbraucht worden ist – ist nicht bloß da, um Informationen zu erlangen, es ist ein Teil der Vorgehensweise. Das eigentliche Ziel ist es, das Kind zu behandeln.«
»Yeah, okay«, sagte ich, mir eine Zigarette anzündend.
»Und genau das haben wir abgesprochen«, sagte Mac und klopfte mit ihren langen Nägeln auf dem Armaturenbrett. Sie hatte nicht vor, weiter drüber zu diskutieren.
»Hast du Max gesagt, was er machen muß?« fragte ich sie.
Immaculata lächelte. »Er weiß es«, sagte sie.
Der Gerichtsparkplatz kannte keinen Unterschied. Porsches standen neben Chevys – eine Limousine brauchte zwei Lücken.
Ein Lumumbataxi ebenso.
Ein Latino-Typ lief zu meinem offenen Fenster. »Rauchen?«
fragte er, an mir vorbeiblickend. Ich antwortete nicht, und er marschierte weiter, graste den Parkplatz ab. Wenn du die Asche hattest, konntest du beim Gericht in etwa alles kaufen.
Immaculata und ich stiegen aus dem Lincoln und liefen rüber zur Familienkammer. Ein steter Menschenstrom kam aus den Drehtüren – eine fette Puertoricanerin mit müden Augen trat mit einem Kind raus, zirka zwölf Jahre alt, das eine Gang-Jacke und dazu auf dem Kopf ein schwarzes Barett trug. »Hörst du, was dir der Richter erklärt hat?« sagte sie. »Scheiß auf den Richter«, erwiderte der Junge und wich behende ihren kläglichen Versuchen aus, ihm eine zu knallen, lächelte sein Kinderlächeln. Ein Typ in der Uniform einer Telefonfirma zog am Arm seines Anwalts, murmelte etwas von »noch eine gottverfluchte Vertagung«. Der Anwalt zuckte die Achseln. Ein anderer Typ stürzte vorne raus, verfolgt von einer Frau ein paar Schritt dahinter, die zögernd seinen Arm zu berühren versuchte. Er hämmerte ein ums andere Mal die geballte Faust in die Handfläche, blickte zu Boden.
Ich hielt Ausschau nach Stregas kleinem BMW, daher schenkte ich dem auf dem Parkplatz hinund herkutschierenden beigen Mercedes keine Aufmerksamkeit, bis ich die Tür knallen hörte. Sie stand auf der anderen Straßenseite, ein schwarzes Tuch auf dem Kopf, in einem überlangen schwarzen Mantel. Sie sah aus wie sechzehn. Ihre Arme waren nach beiden Seiten ausgestreckt, an jeder Hand ein Kind. Einen Jungen und ein Mädchen. Sie beugte sich runter, um etwas zu dem kleinen
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