Burke 3 - Bluebelle
sie überall – von Literaturmagazinen bis zu den Hardcore-Wichsvorlagen. Variationen desselben Themas: junges Mädchen, das eine Haftstrafe verbüßt, aber bald rauskommt. Allein, pleite, braucht einen Freund.
Honey Blaine lautet der Name des süßen jungen Mädchens.
Falls irgendein Partner sie direkt anschreiben sollte, würde er auf eine »H. Blaine, Nummer 86-B-9757« stoßen, die in Bedford Hills sitzt. Genau wie es in der Anzeige steht: Honey würde ihn umgehend abwimmeln. Sie würde erklären, daß sie ihre Briefe nicht so schreiben könnte, wie sie’s wirklich möchte: Die Gefängniszensoren würden das nicht erlauben. Honey hatte jedoch ein geheimes Postfach, und falls ein rechtschaffener Mann gewillt war, sich etwas zu gedulden, nun ...
Ich nahm die Briefe entgegen. Michelle beantwortete sie. Wir hatten ein paar Dutzend Fotos, die wir benutzten. Lauter Polaroids (»Sie lassen uns hier keine anderen machen, Liebster«). Was immer die Pisser auch mochten, sie kriegten genau das. Honey konnte das neunzehnjährige Opfer eines grausamen Zuhälters sein. Eine Lesbe, deren Liebste sie bei einem Drogen-Deal belastete. Eine Autodiebin. Alles, bloß keine Absahnkünstlerin. Sie konnte die Erhörung der Gebete eines alten Mannes sein oder der Bodensatz sämtlicher ekliger Phantasien eines Pfaffen. Ein sehr flexibles Mädchen, diese Honey. Dazu waren nichts weiter nötig als Michelles unfehlbare Instinkte und ein bißchen dichterische Freiheit. Honey würde auf Herzchen machen, den Haken tief reintreiben, den Topf zum Überkochen bringen. Dann würde das arme Mädchen in Schwierigkeiten geraten: Eine harte Schwester betrampelte sie, forderte ihren Körper oder ihr Leben; ihr drohte eine Verlegung in eine andere Gefängnisabteilung, wo ihr kein Briefwechsel mehr erlaubt wurde. Überfällige Miete für das Postfach. Ein hübscher Batzen Asche für den Bewährungsausschuß wurde benötigt. Austrittsgeld.
Und langsam würden die Geldüberweisungen eintrudeln.
Nach einer Weile würde der Pisser seinen letzten Brief zurückkriegen. Ungeöffnet. »Zurück an den Absender. Insasse verschieden.« Die Pisser kauften es immer ab – wenn es ein Schwindel war, warum hätte die süße Honey dann die letzte Überweisung nicht einsacken sollen?
H. Blaine, Nummer 86-B-9757 durfte nicht besucht werden.
Hatte was für sich. Der Name und die Nummer waren in Ordnung, aber Hortense Blaine ist eine fünfundfünfzigjährige, fast drei Zentner schwere Schwarze. Sie hat drei Generationen Pflegekinder großgezogen. Von Kleinkindern, die man in die Müllverbrennungsanlage geworfen hatte, ohne daß sie gestorben waren, bis zu Babystricherinnen, die nie gelebt hatten. Sie hatte nie ein eigenes Kind, aber sie war etlichen eine Mutter. Ihr Freund vergewaltigte eins der Kids. Ein zwölfjähriges Mädchen namens Princess.
Ich habe eine Kopie des Gerichtsprotokolls. Ich bekam sie von dem Anwalt, der über der Berufung brütet. Ein harter Blues-Text, zu dem es noch keine Musik gibt.
Befragung durch Mr. Davidson: F: Was, wenn überhaupt etwas, taten Sie, nachdem Princess von der Vergewaltigung berichtete?
A: Ich hab dem Kind gesagt, daß er ihr nie wieder weh tun würde. Ich hab sie in mein Zimmer gebracht. Sie in mein Bett gelegt.
F: Das gleiche Bett, das Sie mit Mr. Jackson teilten?
A: Ich hatte nicht vor, ihn noch mal reinzulassen.
F: Und dann?
A: Ich hab gewartet, daß Jackson heimkommt. Er war irgendwo zocken. Er kommt zur Tür rein, hockt sich an den Küchentisch.
Sagt mir, ich soll ihm ein Bier bringen.
F: Haben Sie ihm ein Bier gebracht?
A: Yeah.
F: Berichten Sie den Geschworenen, was danach geschah.
A: Ich hab ihn gefragt, warum er das gemacht hat. Ich hab gesagt ...
F: Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Mrs. Blaine. Sie haben ihn gefragt, warum er das Kind vergewaltigte? Nicht, ob er es tat?
A: Da war Blut in dem Bett von dem Kind.
F: Ich verstehe. Fahren Sie bitte fort.
A: Ich hab ihn gefragt, warum er das, was er gemacht hat, gemacht hat. Er sagt mir, Princess is bald ’ne Frau. Schadet ihr gar nix. Bereitet sie bloß aufs Leben vor, sagt er. Er hat gesagt, sie is im Nachthemd rumgelaufen, während ich auf Arbeit war. Hat gesagt, sie hätt’s rausgefordert.
F: Konnten Sie seinen Gesichtsausdruck sehen, als er dies sagte?
Mr. Haynes: Einspruch. Hier wird von der Zeugin eine Schlußfolgerung verlangt.
Mr. Davidson: Eine Verhaltensstudie ist keine Schlußfolgerung, Herr Richter.
Mr. Haynes: Euer Ehren, der Herr
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