Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
beinahe hätte er » Kleine « gesagt, doch das schluckte er hinunter und zwang sich, das andere Wort zu benutzen, » du meine Tochter, dann denk ich mir, ich werde stolz sein, dass du bist, wie du bist, und nicht irgendeine blöde Teenie-Schnepfe. «
Er atmete aus, als er damit durch war, und sah sich instinktiv nach einer Fluchtmöglichkeit um. Drüben beim Rosenstrauch, sodass Megan es nicht sehen konnte, zeigte Beth ihm den gereckten Daumen.
Megan lächelte ihn an, ein herzliches, warmes Lächeln, und ihre Augen funkelten.
Fein, durch die ersten Minuten Vaterschaft war er also durchgekommen, ohne gleich alles total zu vermasseln. Dann brauchte er jetzt nur den Rest seines Lebens so weiterzumachen, wie kurz das auch sein mochte.
Vor ihnen ging das Verandalicht an, und gleich darauf erhellte eine Reihe von Lampen die halbkreisförmige Auffahrt.
» Wer ist da? Bist du das? « , rief der alte Mann.
» Ja, Großvater, ich bin’s. « Megan ging mit raschem Schritt die Auffahrt hinauf, Beth an ihrer Seite.
Gil folgte eine Spur langsamer. Lieber sollte Beth erst von dem Überfall auf Megan berichten, bevor er erklärte… nun ja, wer er war und was er hier wollte und dass er Megan in Gefahr gebracht hatte und dafür sorgen musste, dass sie in Sicherheit käme.
Er war mit Sicherheit der Letzte, den das Ehepaar Russell sehen wollte. Selbst falls sie es nicht wussten– falls Barbara ihnen nie gesagt haben sollte, wer der Vater ihres Kindes war–, würde das kaum einen großen Unterschied bedeuten. Edward Russell hasste ihn aus Prinzip und mit der Inbrunst desjenigen, der sich als moralisch und gesellschaftlich überlegen betrachtet, und er hatte seinen ganzen Einfluss geltend gemacht, damit Gil verurteilt würde, lange bevor Barb von ihrer Schwangerschaft gewusst haben konnte.
Auf seinen Gehstock gestützt stand er in der Tür, und Beth kam die Stufen herauf, den Arm um Megans Schulter gelegt. Gil sah, dass sich im Hintergrund etwas bewegte, Esther Russell wahrscheinlich, die immer hinter ihrem Gatten herumschlich.
» Dr. Russell, Mrs Russell, Kris Matthews hat mich gebeten, Megan nach Hause zu begleiten. Sie ist leider Opfer eines Überfalls geworden. «
In ihrem gefassten, professionellen Auftreten und der bündigen Erklärung war praktisch nichts mehr von der früheren, schüchternen Beth zu erkennen.
» Gil Gillespie hat den Überfall bemerkt und die Täter abgewehrt « , erläuterte Beth. » Sehr wahrscheinlich hat er Megan vor einem weit schlimmeren Übergriff bewahrt. «
» Morgan Gillespie? « Doc Russell spie den Namen geradezu aus. » Ich habe schon gehört, dass der Verbrecher wieder hier ist. «
Gil trat auf die Veranda und dem Arzt entgegen. » Ja, ich bin zurück. « Er hätte den Verbrecher gerne von sich gewiesen, aber in einem zerfetzten, blutgetränkten schwarzen T-Shirt und mit zwei Tage alten Bartstoppeln entsprach er dem Bild nur zu genau. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich erst etwas frisch zu machen, andererseits hätte das wahrscheinlich auch nichts genützt.
Aus der Nähe sah er, dass der Arzt stark gealtert war. Unter dem wollenen Morgenmantel wirkte er gebrechlich und der Gehstock eher wie eine notwendige Stütze denn ein vornehmes Accessoire. Selbst mit seiner Hilfe schwankte er. Aber seine Ansichten waren nicht ins Wanken gekommen trotz aller körperlichen Schwäche.
» Komm mir ja nicht ins Haus. Ich dulde kein Ungeziefer. «
» Aber Großvater, das geht nicht « , widersprach Megan. » Gil ist mein Vater. «
Für ein paar lange Sekunden starrte der alte Mann ihn mit wutverzerrtem Gesicht an. » Du? « , geiferte er.
Gil wehrte den Stockhieb mit dem Unterarm ab, und der Schmerz brannte bis in die Schulter hinauf.
Beth reagierte schnell und packte mit der einen Hand den Stock und mit der anderen den Arm des Arztes, um ihn gleichermaßen zu stützen und zurückzuhalten. Esther trat vor, legte den Arm um ihren Gatten und warf Gil einen entschuldigenden Blick zu.
» Ich glaube, wir sollten hineingehen « , sagte Beth in festem, höflichem Ton, der den Vorschlag praktisch zum Befehl machte. » Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie diese Unterhaltung an der Haustür führen wollen, wo alle Nachbarn es mitbekommen. «
Die versteckte Drohung tat ihre Wirkung. Der Arzt wandte ihnen den Rücken zu und stapfte hinein. Esther lächelte Beth an, Gil ebenso, wenn auch etwas nervös. » Bitte, kommt doch rein, Beth, Gil. Ist ›Gil‹ Ihnen lieber als ›Morgan‹? «
» Äh,
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