Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
beim Kampf gegen das Feuer. Er nahm an, dass sich die Explosion der Treibstofftanks verhindern ließe, sofern es gelang, den Brand auf das Haus zu begrenzen. Die Zapfsäulen waren für die Nacht abgestellt worden, und auch das sollte das Risiko vermindern. Hier waren sie weit genug entfernt und zudem durch das robuste Gebäude geschützt, sollten die Tanks dennoch in die Luft fliegen; weiter hinten, am Ende der Hauptstraße, sah er Lichter und die Schatten der Evakuierten, die sich beim Gemeindesaal drängten.
Kris und Gil saßen eine Zeit lang schweigend da; sie lauschten, sahen Beth zu, die Jeanies Kopfverletzung säuberte und ihren Zustand überwachte, während Karl die Überreste ihrer Hose wegschnitt und sich um die Verbrennungen an den Beinen kümmerte. Allmählich atmete Kris wieder leichter, und auch Gil musste nicht mehr ganz so mühsam nach Luft ringen.
» Von dem Haus wird nicht mehr viel übrig bleiben « , konstatierte Kris heiser, aber ohne zu keuchen.
» Ja. «
Wie aufs Stichwort begleiteten ein Grollen und ein lang gezogenes Donnern den Einsturz eines großen Gebäudeteils.
» O Gott. « Sie schniefte und räusperte sich. » Das war fünfzig Jahre ihr Zuhause. «
» Ich weiß. « Es war nicht nur der Rauch, dessentwegen seine Stimme belegt war. Er drückte ihre Hand fester und fragte sich im selben Augenblick, wann er sie eigentlich ergriffen hatte.
Er sollte seine Finger lösen, sie loslassen, bevor irgendjemand das sah und sie Schwierigkeiten bekäme. Er versuchte sich vorzumachen, dass es nichts zu bedeuten habe, eine normale Reaktion auf die Anspannung sei. Vielleicht hatte sie es ja nicht gemerkt. Oder sie würde es vergessen, bei all dem Chaos und Entsetzen.
» Sie bedeutet dir sehr viel. «
Kris musste Jeanie meinen, aber sein Verstand fasste es zunächst anders auf, und der Satz hallte ihm als Vorwurf durch den Kopf.
» Ja. Ich habe eine Zeit für sie gearbeitet. « Diese kurzen Worte trafen es ganz und gar nicht, doch er wusste nicht, wie er hätte erklären sollen, welchen Platz Jeanie in seinem Leben einnahm. Dass sie ihm gezeigt hatte, dass es eine Welt jenseits der Hölle des Daseins mit seinem Vater gab. Dass sie hin und wieder, wenn es einmal ruhig war, geredet hatten. Das heißt, Jeanie hatte geredet, und er hatte zugehört. Später, viele Jahre später, war ihm klar geworden, dass sie ihm mit den Erzählungen aus ihrer Ehe, ihrem Leben und Tun auf ihre Art das Nötigste beigebracht hatte.
Immer noch hielt er Kris’ Hand. Er löste die Finger, griff in seine Jacke und holte das Foto der jungen Jeanie mit ihrem Mann hervor, das er vom Nachttisch gerettet hatte. Das Mondlicht spiegelte sich auf dem Silberrahmen und dem lächelnden Paar; zärtlich nahm Kris ihm das Bild aus der Hand.
» Deshalb bist du noch einmal hinein? «
Er nickte. » Sie hat nicht viele Fotos von ihm. «
Und nun waren es noch weniger. Es war so wenig, was vom Leben dieses Mannes geblieben war. Aldo Menotti, der Krieg und Gefangenschaft überlebt und in einem jungen Land ein neues Leben angefangen hatte und der immer gezwinkert hatte, wenn er dem kleinen Jungen heimlich ein paar Süßigkeiten zusteckte.
Diese Erinnerung war Gil geblieben, und doch war sie ihm irgendwie fremd, als sei der kleine Junge ein anderer, denn später war Aldo beim Löschen eines Buschfeuers ums Leben gekommen, und nicht lange darauf hatte die Mutter den Jungen verlassen, und fortan hatte es in seinem Leben nur sehr wenig Freundlichkeit gegeben.
» Sie wird sehr dankbar dafür sein. Deshalb könnte ich dir fast verzeihen, dass du mir so eine Todesangst eingejagt hast, Gillespie. «
Jeanie würde in der Tat dankbar sein– wenn sie denn überlebte. Beth wirkte inzwischen nicht mehr ganz so besorgt, aber sie war keinen Zentimeter von Jeanies Seite gewichen, und die zierliche Gestalt unter der Decke hatte sich nicht einmal gerührt.
Jeanie musste wieder gesund werden. Einen anderen Ausgang wagte er sich einfach nicht vorzustellen. Jeden Moment musste sie wieder zu sich kommen, und wenn man sie zur Sicherheit für ein oder zwei Tage ins Krankenhaus steckte, so würde sie doch ganz die Alte werden, und er würde ihr ein schönes Haus kaufen, wo immer sie wollte, und sie würde nie wieder für jemanden Essen kochen oder Benzin zapfen oder in sonst einer Form zu Diensten sein müssen.
Gespenstisch drang das Heulen nahender Sirenen durch die Nacht. Zwei Rettungswagen fuhren vor, dazu ein Streifenwagen, und das Umfeld füllte sich
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