Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
geradeheraus.
Deb zuckte die Schultern. » Wir sind gestern Nacht nach deinem Anruf losgefahren, so schnell es ging. Wir haben uns am Steuer abgewechselt und nur für zwei Stunden am Straßenrand Halt gemacht. «
Loyalität. Kris erweiterte die Liste, auf der bereits Zuneigung und Freundschaft standen. Es sprach sehr für Gil, dass diese beiden jungen Leute eine derart unverbrüchliche persönliche Treue zu ihm aufrechterhielten. Abgesehen von Bella und Alec hätte sie kaum jemanden nennen können, der sofort alles stehen und liegen gelassen und eine achtstündige Fahrt auf sich genommen hätte, wenn sie in Schwierigkeiten steckte.
Sie gewährte ihnen ein paar Minuten unter sich und ging nach draußen, um nach der Wäsche zu sehen, die Gil gestern Nacht noch auf die Leine gehängt hatte. Die trockene Nacht und die Morgensonne hatten ganze Arbeit geleistet, und selbst die Hosentaschen aus dickem Jeansstoff waren trocken.
Eine Menge Arbeit wartete auf sie, und womöglich waren auch Sandy Cunningham und der Brandermittler bereits vor Ort, aber sie nahm sich den Egoismus heraus, in Ruhe die Jeans, T-Shirts, Unterwäsche und Socken in der Frische des sonnigen Morgens abzuhängen und zusammenzulegen und dabei den sonnengewärmten Stoff auf der schmerzenden Hand zu spüren, eine kleine, schlichte Freude am Anfang eines zweifellos fordernden Tages.
Und da er nun eine Fahrgelegenheit hatte, würde Gil bestimmt bald abreisen. Diese Erkenntnis hinterließ eine Leere in ihr, auch wenn sein Fortgehen zum Besten sein musste– für ihn, für Dungirri, für sie. Das absolut Allerletzte, was sie gebrauchen konnte, war, dass ein unmöglicher Mann ihr die Sinne verwirrte und sie die Einsamkeit ihres partnerlosen, arbeitssüchtigen Lebens nur umso deutlicher spüren ließ.
Vielleicht sollte sie sich einen Hund zulegen. Bella hatte Finn, einen treu ergebenen, wenn auch bisweilen etwas begriffsstutzigen Deutschen Schäferhund, der sie durch gute und schlechte Zeiten hindurch am Verzweifeln gehindert hatte. Ein Hund wie Finn wäre ein guter Kamerad.
Sie unterdrückte ein höhnisches Lachen. Ein Hund. Sie dachte ernsthaft darüber nach, sich einen Hund zuzulegen. Das war nun definitiv ein Zeichen für die Single-Midlife-Verzweiflung.
Sie wuchtete sich den Wäschekorb auf die Hüfte und bemerkte Beth, die auf der Straße auf sie zukam. Sie wartete, bis Beth bei ihr war, und sah unterdessen einer Familie von Zaunkönigen zu, die den untersten Ast des Eukalyptusbaums umflatterten.
» Hättest du einen Moment, Kris? « , fragte Beth, und die Erschöpfung in ihrem Blick sprach ihrem matten Lächeln Hohn. » Wir haben da ein Problem. «
Gil schilderte Liam und Deb in Kurzfassung die Dramen der vergangenen Nacht, wobei seine Aufmerksamkeit aber mindestens zur Hälfte von der Szene vor dem Fenster gefesselt war. Er stand vor der Arbeitsplatte und machte Kaffee und hatte so die Rechtfertigung dafür, Kris nicht aus den Augen zu lassen.
Es war schon etwas irritierend: Der Kontrast zwischen der Polizeiuniform und allem, was sie für ihn verkörperte, und dieser idyllisch-heimelig femininen Haltung mit dem Korb auf der Hüfte; zwei Bilder, die in seiner Erfahrung einfach nicht zusammengingen.
Aber irgendwie schoben die beiden Bilder sich ineinander, sie fielen in eins, und er sah nur noch Kris, Polizistin und Frau, unabhängig, stark und stolz.
Dann aber ließen Beths Worte den Ausdruck gelassener Ruhe, der bis vor wenigen Augenblicken auf ihrem Gesicht gelegen hatte, in sich zusammenfallen. Stattdessen las er Verbitterung und tiefste Besorgnis aus ihrem heftigen Ausatmen und der Bewegung ihrer freien Hand, mit der sie sich das vom Wind zerzauste Haar hinters Ohr strich.
» Diese Jeanie, sie ist dir wohl sehr wichtig, Gil? «
Debs Frage holte ihn zurück, wenn es auch einen Moment dauerte, bis sein Verstand die Worte mit Jeanie verknüpfen konnte, statt mit Kris.
» Ja. Sie hat mir den ersten echten Job gegeben. Und sie half mir, wenn es nötig war. Sie ist…« Er suchte nach Worten, fand aber die passenden nicht. » Sie ist die Art Mensch, der einen Ort wie diesen zusammenhalten kann. «
Und dort draußen vor dem Fenster standen zwei weitere dieser Art. Mut, dachte er. Aber es war mehr als der Mut zu handeln. Seelische Tapferkeit und Mitgefühl, die Kraft und Entschlossenheit, auf Dauer zur Gemeinschaft zu stehen und sich ihr nötigenfalls auch entgegenzustellen.
» Also, was ist dein Plan? « , fragte Liam. » Musst du hierbleiben
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