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Bushido

Bushido

Titel: Bushido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
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Gedanken der Kinder ver-
seuchte. Dann gewinne ich zwei ECHOS und bin plötzlich Everybody’s Darling, den jeder gern mal anfassen möchte. Das konnte doch alles nicht wahr sein! In was für einer Welt leben wir eigentlich?
    Ich erinnerte mich an die Talkshow 3 nach 9 des Senders Radio Bremen, zu der ich Ende Januar eingeladen worden war. Wie es in solchen Gesprächsrunden üblich ist, erzählte jeder Gast seine Geschichte und alle plauderten friedlich miteinander. Als ich an der Reihe war, hagelte es Kritik von allen Seiten. Ich wäre kein Vorbild für die Jugend, bla bla bla, das übliche langweilige Geschwätz, das ich schon seit Jahren kenne. Nie hatte ich das Gefühl, dass sich diese Menschen wirklich für mich interessierten, es war viel eher so, dass sie verzweifelt versuchten, mich in die Enge zu treiben. Selbst die Moderatorin der Sendung sagte, dass sie meine Texte langweilig finde. »Kennst du einen, kennst du alle«, meinte sie doch tatsächlich zu mir. Das war natürlich ihr gutes Recht, obwohl sie als Journalistin doch eigentlich eine eher neutrale Haltung haben sollte, um den Zuschauern die Möglichkeit zu lassen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Im Prinzip finde ich es in Ordnung, wenn die Leute einen Standpunkt haben und dazu auch stehen, aber dann sollen sie bitte nicht nach der Sendung, wenn die Kameras aus sind, zu mir kommen und nach Autogrammen für ihre Kinder fragen. Ohne Worte!
    Ich kann es bis heute nicht nachvollziehen, warum so wenige Menschen die Eier haben, zu ihrer Meinung zu stehen, auch öffentlich. Man kann über Dieter Bohlen denken, was man will, aber er ist einer der wenigen, die wirklich sagen, was sie denken. Da-für bekommt er meinen vollsten Respekt. Mal ehrlich: Was interessiert mich die Meinung anderer Leute, die, wenn es hart auf hart kommt, doch einen Dreck auf mich geben? Und wenn mir gewisse Medien attestieren, nach dem ECHO in eine höhere Promi-Liga aufgestiegen zu sein, dann geht das links rein und rechts raus. Wo waren sie denn, als ich wirklich ihre Unterstützung gebraucht hätte? Wo werden sie sein, wenn ich vielleicht eines Tages nicht mehr so viele Platten verkaufe? Garantiert überall, außer bei mir. Nur weil irgendwelche Chefredakteure plötzlich der Meinung sind, dass ich irgendwo angekommen bin, heißt das noch lange nicht, dass ich vergesse, wo ich herkomme und dass ich der nette Gangster-Rapper von nebenan war. Niemals! Ruhm ist so was von vergänglich. Das vergessen die meisten Menschen viel zu schnell. Schon bald werden nämlich genau die Leute, die mich heute angeblich feiern, versuchen, mich öffentlich zu opfern. Deswegen bemühe ich mich erst gar nicht, solche Leute an mich rankommen zu lassen. Udo Kier hatte schon recht, als er bei 3 nach 9 sagte, dass ich in meinen Texten der Gesellschaft doch lediglich den berühmten Spiegel vorhalten würde und man mich nicht für den mangelnden Intellekt der Kritiker verantwortlich machen könne. So sieht’s aus. Drauf geschissen!
    Zum Glück fielen mir irgendwann die Augen zu. Trotzdem schlief ich nur wenige Stunden. Um 14 Uhr stand ich auf und zockte den ganzen Samstagnachmittag World of Warcraft. Am Abend ging ich rüber zu meiner Mutter, die mich mit offenen Armen und stolz wie Oscar in die Arme nahm. Mein Bruder kam auch noch dazu. Das war mal wieder einer dieser wenigen schönen Momente im Leben, nach denen ich mich so sehr sehne. Bei all dem Alltag, der mittlerweile bei mir eingekehrt ist, vor allem was Auszeichnungen, Preise, Goldene Schallplatten und diesen ganzen Kram angeht, hat sich meine Mama noch genauso gefreut wie am ersten Tag.
    »Mensch, Bub«, sagte sie. »Wenn ich mir überlege, wie das mit dir damals alles angefangen hat. Als noch keiner wusste, was aus dir wird.«
    »Ja, Mama. Wer hätte das gedacht?«
    »Ich wusste es immer, mein Schatz!«, sagte sie und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
    Ich schaute meine Mama an, wie sie zufrieden und glücklich mit ihrer alten Lieblingsdecke auf der Couch im Wohnzimmer lag und mich aus vollem Herzen anstrahlte.
    »Ach, Mama, das ist schon komisch. Irgendwie bin ich für die Leute da draußen ein Superstar, dabei führen wir doch ein ganz normales Leben. Guck dich doch mal um! Was ist denn daran so besonders?«, sagte ich mehr zu mir selbst.
    Dann stand ich auf, wünschte meiner Mutter eine gute Nacht und ging wieder zu mir. Da saß ich nun, als frisch gebackener zweifacher ECHO-Gewinner 2008 – allein in meiner kleinen Wohnung. Niemand war da.

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