Bußestunde
sich hier ein Mensch aufgehalten hatte.
Der Chef der Kriminaltechniker, Brynolf Svenhagen, zugleich Saras Vater, hatte sie nur eine Stunde zuvor ein letztes Mal durch die Wohnung geführt. »Wir sind hier fertig«, wie er es ausgedrückt hatte. »Es ist wirklich beeindruckend, wie alles genetische Material außer dem Blut entfernt worden ist.«
»›Es ist wirklich beeindruckend, wie alles genetische Material außer dem Blut entfernt worden ist‹«, zitierte Lena Lindberg aus einem der Schlafzimmer.
Sara, die sich in einem anderen Zimmer befand, schnitt eine Grimasse. Sie beugte sich hinunter zum Heizkörper und betrachtete die Blutspuren, die ihr Vater ihnen gezeigt hatte. »Hier hat eine von den beiden gesessen, vermutlich Lisa Jakobsson. Sie war festgebunden, wahrscheinlich mit einem Lederriemen.« So hatte er es erklärt.
»Und schnell gehen musste es auch!«, rief Sara Lena zu. »Sie hatte gerade erfahren, dass jederzeit irgendein Berufskiller hereinstürmen konnte. Dennoch beseitigte sie alles genetische Material, bis auf das Blut. Ich weiß wirklich nicht, wie man das verstehen soll.«
»Ich auch nicht!«, rief Lena Lindberg aus dem anderen Zimmer zurück. »Und das stört mich. Wenn sie wirklich in Panik geflohen wäre – und darauf deutet der zurückgelassene abgetrennte Arm trotz allem hin –, dann muss sie sich ja in irgendeinem Anzug durch die Wohnung bewegt haben, der die Verbreitung von genetischem Material verhinderte. Und dann hat sie kaum hier gewohnt.«
»Es muss eine zweite Wohnung geben«, schloss Sara. »Und zwar schon die ganze Zeit.«
»Noch etwas«, fuhr Lena fort. »Warum nahm sie nicht einfach den Arm und fuhr damit in den Wald? Einfach weg damit, draußen auf Gärdet. Bedeutend einfacher, als die ganze Wohnung zu leeren und tote oder lebende Opfer mitzunehmen.«
Sie trafen sich im Wohnzimmer. Der zutiefst ekelerregende »Arbeitstisch« war fort. Die Techniker hatten ihn mitgenommen nach Linköping.
»Ich finde, hier ist vieles komisch«, sagte Sara Svenhagen. »Zu viele Fragen und Unsicherheiten.«
»Aber sie hat definitiv nicht hier gewohnt«, sagte Lena Lindberg. »Sie kam zwischendurch her und folterte ihre Opfer. Dann fuhr sie wieder.«
Sie blieben noch einen Moment stehen. Etwas löste sich von den Wänden. Es fiel herab und schlug ihnen entgegen.
Es war reiner und nackter Schmerz.
Lena und Sara sahen sich an.
Lena brachte es auf den Punkt: »Wir müssen diesen Satan kriegen, und zwar bald.«
Sara Svenhagen betrachtete eindringlich die Wand und nickte langsam.
23
Ein Füller der erlesenen französischen Marke Waterman wurde benutzt, um eine Kautabakportion zu massakrieren. Auf einem Teller lag neben einem halb gegessenen Schinkenbrot ein verbrauchter Priem in seiner kleinen Tüte und machte einen traurigen Eindruck. Und mit jeder Sekunde, die verstrich, sah er trauriger aus. Der Waterman-Füller zerteilte ihn mit hoher Präzision. Schließlich ähnelte der Schauplatz auf dem Schreibtisch des Säpo-Chefs dem ausgebrannten Ödhof in Modhult in der Kommune Nykvarn unweit südlich von Stockholm.
»Es ist also wirklich er?«, fragte der Säpo-Chef, während er den Füller umständlich mit einer Serviette abwischte.
»Ja«, sagte Paul Hjelm. »Die Techniker haben gerade die Bestätigung geschickt. Die verbrannte Leiche von Tore Michaelis liegt auf einem Ödhof in Modhult.«
Der Säpo-Chef nickte und legte den Füller vor sich auf den Schreibtisch.
»Aber das habt ihr doch sowieso gewusst, nicht wahr?«, fuhr Hjelm fort.
Der Säpo-Chef zog eine leichte Grimasse und sagte: »Ich weiß nicht, wie du es gemacht hast, aber du hast vorbildliche Polizeiarbeit geleistet, Hjelm. Es scheint an der Zeit zu sein, dass wir unsere Zusammenarbeit formalisieren.«
»Nicht, wenn ihr die ganze Zeit mit verdeckten Karten spielt«, erwiderte Paul Hjelm.
»Du musst dich schon an ein paar Doppeldeutigkeiten gewöhnen, wenn du in diese Welt eintreten willst«, erklärte der Säpo-Chef lapidar.
»Ich bin gar nicht sicher, ob ich in diese Welt eintreten will.«
»Glaub es, oder lass es bleiben«, sagte der Säpo-Chef, »aber wir wussten es wirklich nicht. Aber wir hatten eine Ahnung. Und nutzten die Gelegenheit, dich in Aktion zu sehen.«
»Und wie kamt ihr auf die Ahnung?«
Der Säpo-Chef ließ ein lang gezogenes Schnaufen hören. Paul Hjelm hatte aufgehört, sich über dieses eigenartige Geräusch zu wundern. So lachte eben ein Mann, der vergessen hatte, wie man lacht.
»Wir bekamen
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