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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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erwarte also binnen drei Tagen einen vollständigen Bericht«, forderte der Säpo-Chef. »Desgleichen erwarte ich binnen drei Tagen eine Antwort darauf, wie es weitergehen soll. Nimm den Vertrag, und lies ihn dir durch. Aber zeig ihn niemandem.«
    »Selbstredend nicht«, sagte Hjelm und griff nach dem Vertrag.
    Als er davonging, würdigte er indessen den Vertrag weder eines Blickes noch eines Gedankens. Seine Gedanken waren ganz woanders. Er dachte an den dritten Satz.
    Er dachte an die Notiz in Tore Michaelis’ »starken Seiten«. Und er dachte an den holländischen Schriftsteller Ferdinand Bordewijk.
    »Nicht zuletzt der dritte Satz bei Bordewijk, der mich mit solcher Trauer erfüllte«, wie bei Michaelis stand.
    Und der dritte Satz im Roman Bint von Bordewijk: »Behalte dies im Gedächtnis und suche anderswo.«
    Der dritte Satz im Abschiedsbrief an den Säpo-Chef lautete: »Ohne Risikoabwägung passiert hier ein unvergleichlicher Showdown.«
    Es hörte sich nicht so an, als seien dies Tore Michaelis’ Worte. Es hatte etwas zu bedeuten. Noch eine verfluchte Chiffrierung. Noch mehr Spionenkryptozeug.
    Und immer deutlicher direkt an ihn gerichtet.
    Direkt an Paul Hjelm.
    Den Nachfolger.
    Er spürte, wie ihm der Kopf brummte. Und dabei hatte er geplant, den Nachmittag freizunehmen und in die Privatklinik nach Äppelviken zu fahren. Um zu sehen, wie es Tova ging.
    Im Vorbeigehen nickte er seiner untätigen Sekretärin Anna-Clara zu und verschwand in seinem Zimmer. Er legte den Vertrag vor sich auf den Tisch, aber es gelang ihm nicht, auch nur eine Zeile zu lesen, nicht ein Wort, nicht den kleinsten Buchstaben.
    Im vollen Bewusstsein dessen, dass ein Spion nicht das Geringste niederschreiben sollte, schrieb er jetzt folgende Worte auf einen gelben Merkzettel: »Ohne Risikoabwägung passiert hier ein unvergleichlicher Showdown.«
    Bestimmt hatte Tore Michaelis auf die ihm eigene Art seine Aufmerksamkeit auf diesen Satz lenken wollen. Er war sich zwar nicht sicher, doch es schien so. Und seine Gefühle waren nun einmal ein Bestandteil seines rationalen Werkzeugkastens geworden.
    Die Frage war nur, warum Tore ihn nach Modhult gelockt hatte. Wenn er dort nicht gestorben wäre, was hätte Paul Hjelm dann in dem Waldhaus gefunden? Nichts vermutlich.
    Also erwartete Tore, dort zu sterben.
    Hatte er die ganze komplizierte Spur bis zu dem Klartext »Modhult« nur deshalb gelegt, damit jemand seine Leiche finden sollte, wenn er starb?
    Konnte das sein? Sah das dem Tore Michaelis ähnlich, den er kennengelernt hatte? »Kümmere dich um meine Leiche, und begrabe mich, falls ich sterben sollte«, das klang zu sentimental. Und gleichzeitig nicht ganz falsch, wenn man es eine halbe Drehung weiterschraubte. Der Nachfolger soll seine Fähigkeit unter Beweis stellen, indem er die Leiche des Vorgängers findet.
    Anderseits war es doch albern, seinen Nachfolger ganz umsonst in die Wildnis hinauszulocken, wenn ihm gelungen wäre, was er sich vorgenommen hatte.
    Und was hatte Tore Michaelis sich vorgenommen? Per Naberius zu treffen und ihn umzunieten? In Modhult?
    Alles war ziemlich seltsam. Wenn nicht …
    Wenn es nicht Paul Hjelms Aufgabe sein sollte, die Säpo davon zu überzeugen, dass Tore Michaelis tot war. Die Welt wissen zu lassen, dass er tot und damit ungefährlich war.
    Doch seine Identifizierung war über jeden Zweifel erhaben, er war hundertprozentig durch die Zähne identifiziert. Anderseits war er ein ausgebuffter Spion mit einem grenzenlosen Kontaktnetz. Wenn er wirklich ein falsches Gebiss hätte anfertigen lassen wollen, wäre ihm das natürlich möglich gewesen.
    Und für diesen Fall gab es eine ganz bestimmte Fortsetzung, die wirklich nur für Paul Hjelms Augen gedacht war.
    Und dann lag sie hier auf dem Tisch, vor seinen Augen.
    In dem dritten Satz: »Ohne Risikoabwägung passiert hier ein unvergleichlicher Showdown.«
    Hatte er den Spionblick auch richtig eingestellt?
    Gar keine Frage. Zu seiner großen Verwunderung fiel sein Blick genau auf das, worauf er fallen sollte. Auf den ersten Buchstaben in jedem Wort. Seltsam, wie deutlich es wurde, wenn man es erst einmal gesehen hatte.
    »Ohne Risikoabwägung passiert hier ein unvergleichlicher Showdown.«
    Orpheus .
    Sonderbar.
    Hjelm tauchte in das lauwarme Wasser der Erinnerung ein. Etwas dort rief ihn. Es war die Schreibweise. Orfeus mit »f« hatte zwar in einem früheren Fall, einem der ältesten der A-Gruppe, eine Rolle gespielt, da aber im Paar mit Eurydike. Aber

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