Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
auch Orpheus mit »ph« war ihm irgendwann in der Vergangenheit begegnet.
    Paul Hjelm hatte das Gefühl, sich in eine mentale Embryonalstellung zu begeben. Jacketts, Krawatten, Privatsekretärin, interne Ermittlungen und seine einsame Arbeit verschwanden. Er war in einem Team, einem fest zusammengeschweißten Team, das gerade das Licht der Welt erblickt hatte. Unter dem alten Kommissar Jan-Olov Hultin war die der Reichskriminalpolizei direkt unterstellte, neu getaufte Sondereinheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter gerade fest etabliert worden, nachdem sie die sogenannten Machtmorde aufgeklärt hatte. Sie waren damals zehn Jahre jünger gewesen als jetzt und alle voller Enthusiasmus, die Gespanne Paul Hjelm und Jorge Chavez, Kerstin Holm und Gunnar Nyberg, Viggo Norlander und Arto Söderstedt. Der Enthusiasmus war wohl immer noch da – bei einigen war er in Würde gereift –, aber damals war er auch vom Reiz des Neuen umgeben gewesen. Es war für sie alle eine Offenbarung gewesen, dass Polizeiarbeit auch so aussehen konnte, nicht nur graue Routine, sondern kreatives Denken. Damals waren sie zum ersten Mal mit dem Irak konfrontiert worden.
    Der erste Irakkrieg. Operation »Desert Storm«. Der Golfkrieg. Die A-Gruppe war einem amerikanischen Serienmörder auf der Spur, der nach Schweden gekommen war. Sie schnappte ihn, aber er entkam ihr wieder. Die A-Gruppe wurde aufgelöst. Es bedurfte eines Gemetzels in Sickla, damit sie wiederauferstehen konnte.
    Eine humanitäre Organisation war in die Sache verwickelt, bevor alles ein blutiges Ende nahm. Sie nahm ein blutiges Ende. Ihre schwedischen Vertreter starben. Das Ehepaar Lindberger.
    Paul Hjelm war jetzt tief im Wasser der Erinnerung, aber es war nicht mehr lau, es war eiskalt.
    Die A-Gruppe hatte beinahe alles missverstanden, sie waren von einer inoffiziellen amerikanischen Sicherheitsorganisation wie Spielsteine hin und her geschoben worden und hatten aktiv dazu beigetragen, die humanitäre Organisation zu zerschlagen, die sich im Irak für die Menschenrechte einsetzte.
    Es tat weh, daran zu denken.
    Das Wasser um ihn herum war jetzt eisig.
    Die Organisation hatte über ziemlich viel Geld verfügt. Kurz nach dem Tod der Eheleute Lindberger verschwand das gesamte Geld von den Konten. Niemand wusste, ob es konfisziert oder gerettet worden war.
    Die im Irak mit guten Kontakten operierende humanitäre Organisation hieß »Orpheus Life Line«.
    Es konnte kein Zufall sein. Tore Michaelis zeigte es ihm. Die Organisation musste überlebt haben. Und wenn das stimmte, dann war sie wieder aktiv, im neuen Irakkrieg. Wahrscheinlich setzte sie sich für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Das konnte nicht besonders leicht sein im Irak von heute.
    Vielleicht hatte Tore Michaelis sich der Organisation »Orpheus Life Line« bedient, um in den Irak zu gelangen. Vielleicht auch, um seinen eigenen Tod vorzutäuschen.
    Paul Hjelm musste sie finden. Er musste »Orpheus Life Line« finden.
    Es war damals ein dritter Mann beteiligt gewesen. An ihn konnte Hjelm sich nur schwer erinnern. Es gab das Ehepaar Lindberger – und noch einen Mann. Die A-Gruppe hatte ihn vorübergehend festgehalten, aber dann laufen lassen. Wie war noch sein Name?
    Das Badewasser der Erinnerung war kein Badewasser mehr. Es war Eis. Hjelm saß festgefroren in einem Eisblock wie ein sibirisches Mammut, das so die Jahrtausende überdauert.
    Es war ein irakischer Name gewesen. Sie hatten ihn aus allen offiziellen Dokumenten getilgt. Der Name des dritten Mannes war nirgendwo notiert, dafür hatte die A-Gruppe gesorgt. Er existierte nur in der Erinnerung. Ihrer Erinnerung. Und weil Hjelm auf die Erinnerung der anderen nicht zurückgreifen konnte, blieb ihm nur seine Erinnerung.
    Und die begann wiederzukommen. Justine Lindberger war ihrer Bewachung in der Östermalmshalle entwischt. Und zwar durch ein Café, dessen Inhaber Iraker war. Es zeigte sich, dass er die dritte Person hinter dem schwedischen Zweig der »Orpheus Life Line« war. Und er hieß – Fawzi Ulaywi.
    Stimmte das wirklich?, überlegte er und spürte, wie das Eis um ihn herum zu schmelzen begann. Ja, es fühlte sich so an. Es fühlte sich ganz einfach richtig an. Fawzi Ulaywi.
    Aber auch wenn es richtig war, spielte es eigentlich keine Rolle. Es war klar, dass er vor acht Jahren untergetaucht war und nie wieder diesen Namen benutzen würde. Paul Hjelm versuchte es dennoch. Zunächst googelte er. Nichts. Kein Fawzi Ulaywi.
    Er suchte auch

Weitere Kostenlose Bücher