Bußestunde
Strömberg – aber mit Armanda Carneiro. Sie bekam nicht nur eine Prostituierte an die Angel, sondern auch ein ganzes gottverdammtes Mafiasyndikat, komplett mit Killer und allem. Das war ihr zu viel. Es wurde Zeit, das in Angriff zu nehmen, was sie eigentlich tun wollte. Sich auf die wirkliche Zielgruppe zu konzentrieren, die geplanten Opfer.«
»Von denen also, falls es so ist, Lisa Jakobsson das erste wäre.«
»Weshalb wir, falls es so ist, uns Lisa Jakobssons Vergangenheit ein bisschen genauer ansehen sollten.«
»Also lass uns.«
Sie verschwanden wieder jeder in seiner virtuellen Tiefe. Wie gewöhnlich verlor diese Tätigkeit rasch ihre Dimension von Großartigkeit und wurde mit beeindruckender Geschwindigkeit zu einem Wettbewerb zwischen sehr kleinen Kindern.
Spielplatz: der Sandkasten.
»Lisa Jakobsson ist am 5. April 1976 in Schonen geboren«, sagte Jon Anderson, »genauer gesagt in Skurup, nicht zu verwechseln mit Sturup, dem internationalen Flugplatz von Malmö, das wiederum nicht verwechselt werden sollte mit Kastrup, dem internationalen Flughafen von Kopenhagen. Die Kommune Skurup liegt zwischen Malmö und Ystad.«
»Das mag alles richtig sein«, konterte Jorge Chavez, »aber bedeutend wichtiger ist, dass ihre frisch geschiedene Mutter sie, als sie in die Oberstufe ging, mit in die Gegend von Stockholm nahm, genauer gesagt nach Upplands-Väsby. Sie absolvierte dort am Vilunda-Gymnasium direkt bei Väsby-Zentrum den gesellschaftswissenschaftlichen Zweig und blieb noch ein paar Jahre dort wohnen, bis sie in die Stadt zog. Zuerst nach Gärdet, Rindögatan, dann weiter in die Gästrikegatan, wo sie jetzt seit drei Jahren wohnt.«
»Was wiederum nicht so interessant ist, wie dass sie direkt nach dem Abitur im Reisebüro Willman & Ström anfing und es inzwischen dort zur Abteilungsleiterin gebracht hat.«
»Wirklich entscheidend ist jedoch, dass sie seit einem Jahr als Single lebt, nachdem sie drei Jahre in einer Beziehung mit einem sechs Jahre älteren Mann namens Hans Jörgen Bratt gelebt hatte, einem Geschäftsführer von etwas, das stopIT AB heißt.«
»Doch was uns betrifft«, sagte Jon Anderson genüsslich, »ist vor allem eines wesentlich, nämlich dass sie seit dem Gymnasium an mehr oder weniger schweren Essstörungen leidet. Mit ihren jetzt dreißig Jahren ist sie nicht weniger als achtmal wegen schwerer Anorexie im Krankenhaus gewesen, dreimal schwebte sie bereits in Lebensgefahr, das letzte Mal vor einem halben Jahr.«
»Aber das kannst du nicht aus dem Netz haben«, stieß Chavez aus. »Du pfuschst.«
»Ich habe das Patientenregister vom Krankenhaus Danderyd angezapft.« Jon Anderson grinste und setzte damit einen Schlusspunkt unter die Diskussion.
»Du bist unheimlich«, sagte Chavez neidisch.
»Wie viele Gesetze hast du selbst in der letzten Viertelstunde verletzt?«
»Keines so grob wie du. Die größte Bedrohung der persönlichen Integrität im heutigen Schweden heute heißt Jon Anderson.«
»Es gibt in Danderyd etwas, das Mandometerklinik heißt. Es ist ein privater Teil des Krankenhauses in Danderyd, in dem Patienten mit allen Arten von Essstörungen behandelt werden.«
»Und da lag sie vor einem halben Jahr auf den Tod?«
»Schwere Unterernährung. Aber zwei Jahre davor war es noch schlimmer. Sie war anscheinend schon für tot erklärt worden, als sie plötzlich wieder zu atmen begann.«
»Pfui Teufel«, sagte Jorge Chavez. »Wie ich diese ganze verdammte Selbstdestruktivität satthabe.«
»Ich weiß«, sagte Jon Anderson. »Warum tun wir uns selbst so etwas an? Woher kommt diese Selbstverachtung?«
Es war eine Weile still. Für einen kurzen Augenblick wurde die Hektik von Nachdenklichkeit unterbrochen. Der ganze Wettbewerbsinstinkt fiel von ihnen ab. Es war, als käme ihnen beiden plötzlich zu Bewusstsein, worum es eigentlich ging. Was es war, dem sie ihr Leben verschrieben hatten.
Dass die Welt trotz allem ein klein wenig besser werden sollte.
Sie sahen sich an und dachten an Betriebsblindheit. Daran, wie leicht es war, das, was wirklich zählte, aus dem Blick zu verlieren. Wie viel einfacher es doch war, immer weiterzumachen.
»Wir bewegen uns hier ein bisschen auf dünnem Eis«, sagte Chavez schließlich. »Vielleicht ist Lisa Jakobsson gar kein spezielles Opfer.«
»Sie hat ein direktes Angebot erhalten. Soweit wir wissen, war das bei keiner anderen der Fall. Das müssen wir im Blick haben.«
»Du hast recht. Wo liegt dann die größte Bedrohung?«
»Es kommt
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