Bußestunde
kommen viel besser damit zurecht, als man glaubt. Sie müssen sie einfach abnabeln.
Sara Svenhagen: Könnte man sagen, dass Hanna Ihre Anführerin war?
Alice Nordin: Sie war ziemlich dominant. Und dann war sie auch so schlank. Alle wollten ihr gleichen. Sie sieht heute noch genauso aus. Wir sind uns kürzlich über den Weg gelaufen, vorher hatten wir uns fünf Jahre nicht gesehen. Und sie sah völlig unverändert aus. Schmal wie eine Krabbe. Wir haben nur ein paar Worte gewechselt.
Sara Svenhagen: Gehen Sie sich aus dem Weg?
Alice Nordin: Warum sollten wir?
Sara Svenhagen: Das klang so. Was hat die Clique auseinandergebracht? Warum schaffen Sie es nicht, sich weiter zu sehen?
Alice Nordin: Jetzt weiß ich wirklich nicht, worauf Sie hinauswollen.
Sara Svenhagen: Gab es jemanden, den Sie schlimmer schikaniert haben als einen anderen? Jemand, von dem man sich vorstellen kann, dass er immer noch … wütend ist?
Alice Nordin: Hören Sie, ich muss jetzt los, meine Frühstückspause ist gleich um. Also dann, es war nett, mit Ihnen zu plaudern.
Sara Svenhagen: Warten Sie. Dies ist wichtig. Jemand hat Lisa entführt. Jemand foltert sie. Und ich glaube, Sie wissen, wer.
Alice Nordin: Foltert? Das glauben Sie doch selbst nicht.
Sara Svenhagen: Doch, es ist wahr. Was haben Sie gemacht? Und mit wem? Ich komme zurück, und ich werde weiterfragen, jeden Tag, bis Sie mir antworten. Und wenn es nur deswegen ist, damit nicht auch Sie gekidnappt und gefoltert werden.
Alice Nordin: Ich muss jetzt zurück an die Kasse. Ich kann es mir nicht leisten, diesen Job auch zu verlieren.
*
Gunnar Nyberg: Konnte man ihnen nicht einfach aus dem Weg gehen?
Lars Persson: Man sitzt drei Jahre lang zusammen in einer Klasse. Da kann man sich nicht aus dem Weg gehen. Man ist dazu verdammt durchzuhalten. Sosehr sie auch auf einem herumhacken, man muss durchhalten.
Gunnar Nyberg: Haben sie auf Ihnen herumgehackt?
Lars Persson : Auf mir und auf vielen anderen.Wir hatten ja nicht gerade ein alternatives Kollektiv, um ihnen entgegenzutreten. Die meisten von uns waren Einzelgänger. Wider Willen, aber dennoch. Ich denke, jeder von uns hätte sich wohl gern mit anderen zusammengeschlossen, aber das war eben nicht unsere Art. Man war immer allein gegen sie.
Gunnar Nyberg: Und was machten sie? Genauer?
Lars Persson: Es ging fast immer ums Aussehen. Dass man auf diese oder jene Weise beknackt aussah. Ich war klein, Brillenträger und ein Streber. Fanden sie. Dabei war es nur so, dass es mir einfach leichtfiel. Das Gymnasium war die Hölle, und sobald es vorbei war, bin ich in die Stadt gezogen. Ich werde nie wieder einen Fuß nach Väsby setzen. Ich habe sogar jedes Mal noch Beklemmungen, wenn ich durch die Scheißgegend fahren muss, um nach Arlanda zu gelangen.
Gunnar Nyberg: Sie sind viel unterwegs von Arlanda aus?
Lars Persson: Ja, recht häufig. Vor allem viele Konferenzen. Messen. Mein Betrieb ist Marktführer im Bereich Buchhaltungsprogramme für mittlere Unternehmen. Wir sind jetzt auch im Baltikum auf dem Weg an die Spitze. Daneben Polen, Ungarn, Slowenien. Die Zukunftsaussichten sind gut.
Gunnar Nyberg: Was war das Schlimmste, das Ihnen passiert ist?
Lars Persson: Die Pornogeschichte, glaube ich.
Gunnar Nyberg: Pornogeschichte?
Lars Persson: Es war noch vor dem Internet. Gymnasiasten waren nicht wie heute mit Pornos überfüttert. Für uns war es immer noch ein wenig schockierend zu sehen, wie ein riesiger Schwanz in eine Möse eindringt. Nicht wie heute. Es steckten auch ein paar ältere Jungs hinter der Sache, glaube ich. Sie verschafften sich Zugang zu meinem Spind und tapezierten ihn förmlich mit Hardcorepornobildern. Als ich meinen Spind säuberte und die Sachen fortbrachte, stieß ich auf mehrere Lehrer, die mich mit diesen Fotos in den Händen sahen. Ich wurde dreimal dem Rektor gemeldet, von drei verschiedenen Lehrern.
Gunnar Nyberg: Aber dann hatten Sie doch immerhin die Möglichkeit, sie beim Rektor hinzuhängen?
Lars Persson: Es war besser, das sein zu lassen. Damit so schnell wie möglich Gras über die Sache wuchs. Es ging immer darum, so schmerzlos wie möglich davonzukommen.
Gunnar Nyberg: Waren Sie der am schlimmsten Betroffene?
Lars Persson: Keineswegs. Der dicke Fredrik war wirklich übel dran. Er war ja außerdem noch ein wenig doof. Nicht gerade einer, mit dem zusammen man seine Wunden leckte. Jocke war auch nicht besser dran, ich glaube, er hat sich später das Leben genommen. Ulla hatte es auch nicht
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