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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Namen«, erklärte Jorge Chavez. »Wir sind sieben. Zwei von ihnen wohnen jedoch nicht mehr hier. Ulla Johansson ist nach Melbourne ausgewandert und Anders Koskinen nach Los Angeles. Diese Namen sind zunächst einmal zweitrangig. Außerdem gibt es mündliche Hinweise darauf, dass Joakim Bergsten Selbstmord begangen hat, aber wir haben eine Adresse von ihm. Das muss derjenige, der den Zettel mit seinem Namen zieht, eben herausfinden.«
    »Wenn ihr Ulla Johansson oder Anders Koskinen auf eurem Zettel stehen habt, müsst ihr neu ziehen«, sagte Jon Anderson. »Drei der Übrigen wohnen nicht mehr in Upplands-Väsby, leben aber nicht allzu weit entfernt von hier.«
    »Außerdem haben wir alle Informationen, die wir über diese Personen auftreiben konnten, auf einem Papier zusammengestellt. Ihr müsstet es gestern Abend per E-Mail bekommen haben, aber sicherheitshalber verteile ich es jetzt noch mal.«
    Jon Anderson reichte den Schuhkarton mit neun zusammengefalteten Zetteln herum. Jeder nahm einen. Am Ende blieben zwei Zettel übrig.
    Kerstin Holm räusperte sich und sagte: »Also an die Arbeit. Hoffentlich können wir uns schon nach der Mittagspause in der Kampfleitzentrale treffen. Beim geringsten Anzeichen eines Durchbruchs meldet ihr euch telefonisch.«
    Ohne ein weiteres Wort schwärmten sie aus über den nördlichen Stadtrand.

29
    Als er tief in die Augen auf der anderen Seite des Tisches blickte, sah er nicht nur zum ersten Mal, wie sehr sie den seinen glichen. Er sah auch, dass seit Langem wieder Leben in ihnen war.
    Wesentlich mehr Leben.
    Das machte ihn froh. Er lächelte sie an. Sie lächelte zurück.
    Ihre Hände lagen flach auf dem Tisch. Sie waren immer noch sehr, sehr schmal, aber es war eine neue Energie in ihnen.
    »Wie fühlst du dich, Tova?«, fragte Paul Hjelm und legte die Hände auf die seiner Tochter. Sie verschwanden darunter. Er hatte seine Hände noch nie als so groß empfunden. Nicht einmal, als sie noch auf der Entbindungsstation lag und mit ihren winzig kleinen Neugeborenenhänden nach seinen Fingerspitzen griff, waren ihm seine Hände so groß vorgekommen wie jetzt.
    Tova lächelte sogar noch ein wenig mehr. »Es ist okay«, sagte sie. »Es geht mir besser.«
    »Schön«, sagte er. »Das freut mich.«
    »Ich bin krank. Ich begreife das jetzt. Aber ich werde wieder gesund.«
    Es bedurfte einiger Selbstüberwindung, um all die Fragen zu unterdrücken, die in ihm aufwallten. Er hielt sie zurück. Er hielt alles zurück. Er hielt sogar zurück, dass dieses Gespräch – genau dieses – vielleicht sein Abschied vom Leben war.
    »Dann hast du nichts dagegen, noch eine Weile hierzubleiben?«, fragte er.
    »Nein«, sagte sie. »Es ist gut hier. Ich habe Ruhe.«
    »Was macht ihr denn? Redet ihr?«
    »Ja«, sagte Tova. »Wir reden viel.«
    Sie verstummten. Er sah ihr an, dass alles gut war. Im Moment auf jeden Fall. Er wagte es, sie zurückzulassen.
    Er wagte es, sie allein in der Welt zurückzulassen.
    »Ich gehe jetzt«, sagte Paul Hjelm und stand auf. »Lass es dir gut gehen, mein Liebling.«
    Er beugte sich vor und umarmte sie. Sie blieb sitzen und erwiderte vorsichtig seine Umarmung.
    Er flüsterte ihr ins Ohr: »Ich liebe dich.«
    Als er sie losließ, sah er, dass sie ihn so sonderbar anschaute. Es dauerte viel zu lange, bis er begriff, warum.
    Es war das erste Mal, dass er seiner Tochter gesagt hatte, dass er sie liebte.
    Er spürte einen Kloß im Hals. Schloss die Augen. Und hörte eine schwache Frauenstimme, die fast flüsternd sagte: »Ich liebe dich auch.«
    Als er ging, blieb sie an dem traurigen Besuchertisch in der Privatklinik Äppelviken sitzen. Er winkte ihr ein letztes Mal zu und trat auf die Terrasse. Dort blieb er einen Augenblick in der fahlen Morgensonne stehen, die sich vollkommen weiß in der Wasserfläche des Mälarsees spiegelte. Er empfand eine große, tiefe Trauer. Aber eine Trauer, die sich trotz allem irgendwie … würdig anfühlte.
    Vielleicht trauerte er auch um sich selbst.
    Dann setzte er sich in sein umweltfreundliches Auto und fuhr nach Westen. Er erreichte die Ortsmitte von Nykvarn und rollte dann auf immer schmaleren Wegen hinaus in die Pampa.
    Die ganze Fahrt über erklang Bach aus den Lautsprechern, wie eine ununterbrochene Huldigung an das Leben.
    Es war 10.54 Uhr, als er das verwitterte Schild erreichte, das verkündete, dass die beiden kleinen Häuser in dem verlassenen Winkel der Weiler Modhult sind. Er blieb im Wagen sitzen und ließ den Blick über die

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