Bußestunde
extrovertiertes, dominantes Verhalten. Warum verwandelte es sich in Unterwürfigkeit, als Sie anfingen zu experimentieren?«
»Ich habe vieles ausprobiert, das kann ich Ihnen sagen.«
»Ich glaube Ihnen. Und Sie haben nebenher Karriere gemacht. Es müssen viele sein in Ihrem Institut, die von Ihren SM-Neigungen wissen. Ist das wirklich so schlimm? Kann das Ihrer Karriere wirklich schaden?«
Matilda Broman schwieg wieder.
Verdammt, dachte Sara und sah auf die Uhr. Es ging auf den Abend zu. Die Stunden verrannen.
»Bondage dürfte kaum ein Verbrechen sein«, sagte Matilda Broman.
Sara Svenhagen nickte und fühlte, wie eine plötzliche Ruhe über sie kam. Sie war trotz allem auf dem richtigen Weg. Ihre immer blutigeren Finger gruben sich langsam, aber sicher tiefer in den Riss in Matilda Bromans Mauer.
Sie sagte: »Aber das hier war also ein Verbrechen?«
Alice Nordin legte die Hände vors Gesicht und saß reglos da. Lena Lindberg spürte, dass etwas über sie kam, was ihr nicht ganz unangenehm, was aber auch nicht besonders positiv war. Es war lange her, dass sie mit einer Verdächtigen, die um jeden Preis ein Geständnis ablegen musste, allein in einem Verhör gesessen hatte. Und es hatte ihr gefehlt, dieses Machtspiel. Obwohl es sich in tiefere und dunklere Schichten in ihr eingebohrt hatte. Schichten, von denen sie sich ernsthaft und mit ihrer ganzen Überzeugung zu entfernen versucht hatte.
»Wenn Sie jetzt alles erzählen, kommen Sie noch einmal davon«, sagte sie mit abstoßend glatter Unberührtheit. »Wenn nicht, werden Sie erleben, was eine undichte Stelle ist. Dann werden Sie erleben, welche Beziehungen zur Boulevardpresse und zum Skandalfernsehen ich habe. Ihr Name wird in der Presse guillotiniert werden. Sie werden sich nirgendwo in Skandinavien mehr blicken lassen können. Sie werden Ihre Kinder nehmen können und in die USA auswandern. Da wird es Ihnen bestimmt gut gehen. Sie werden Filmstar.«
»Sie reden Unsinn«, murmelte Alice Nordin.
»Ich höre nicht, was Sie sagen!«, schrie Lena Lindberg plötzlich. »Sie reden so leise wie eine kleine graue Maus.«
»Ich bin keine graue Maus.«
»Vor fünfzehn Jahren waren Sie die Größte und unglaublich sexy. Jetzt sind Sie nur ein Schatten, eine total anonyme, verfluchte Mutter von drei Kindern, die im Konsum arbeitet.«
Sie hasste es, und sie liebte es.
Es ging ihr nicht richtig gut dabei.
Aber jetzt hatte sie den Biss. Jetzt hatte sie Alice Nordin gepackt. Und sie würde nicht lockerlassen.
Als sie sich gegen die Wand lehnte, erfasste Sara Svenhagen plötzlich eine leichte Unruhe, was Lena Lindberg auf der anderen Seite der Wand wohl trieb. Sie war aufgestanden, um eine Weile den Rücken an die Wand gelehnt zu strecken. Ihr Bauch ließ es nicht zu, dass sie lange still saß.
»Es wird Paul heißen«, sagte sie und drückte den Rücken fester an die Wand.
»Und wenn es ein Mädchen wird?«, fragte Matilda Broman und streckte die Beine unter dem Tisch aus.
»Paula«, sagte Sara Svenhagen.
Sie kehrte zum Tisch zurück und sagte: »Es war also ein Verbrechen?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Haben Sie wirklich die Kraft, noch einmal von vorn anzufangen?«
»Mir kommt es so vor, als ginge Ihnen ein wenig die Kraft aus. Solange ich hier sitze, bin ich außerdem in Sicherheit.«
Eine schwer zu bestreitende Tatsache, dachte Sara Svenhagen. Nein, zwei .
»Sex ist für Sie nie etwas Normales geworden, nicht wahr?«, fuhr Sara fort. »Es war immer mit dem Extremen, dem Perversen verknüpft? Ich glaube sogar, dass es ziemlich lange gedauert hat, bis Sie Ihr wirkliches sexuelles Debüt hatten. Waren Sie noch Jungfrau, als Sie das Gymnasium verließen?«
»Machen Sie sich nicht lächerlich.«
»Es stimmt also? Sie gründeten Ihre Sexualität auf eine Reihe bizarrer Vorfälle auf dem Gymnasium. Dann lagerten Sie die ab und ließen sie über lange zölibatäre Jahre hin verrotten. Und als es endlich an der Zeit war, dass Ihre Sexualität explodierte, war kein noch so kleiner Rest von Heteronormalität mehr vorhanden.«
»Gott sei Dank.«
»Machen Sie Rollenspiele?«
»Das erfahren Sie von mir sowieso nicht, also fangen Sie gar nicht erst an, sich aufzugeilen. Stimmt es, dass man die ganze Zeit geil ist, wenn man schwanger ist?«
»Es geschehen eine Menge spannender Dinge mit dem Körper. Sie sollten es ausprobieren.«
Matilda Broman fing an zu lachen. Das Geräusch, das zwischen den Wänden und der Decke des kleinen Verhörraums
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