Bußestunde
widerhallte, war zutiefst erschreckend. Ein Lachen auf Messers Schneide.
»Erzählen Sie von den Rollenspielen«, sagte Sara. »Sie sind vier Frauen, und Sie tun was?
»Wir verhöhnen eine schwangere Polizistin, verdammte Sau.«
Alice Nordin war mit Handschellen an den Tisch gekettet. Ihre Augen sprühten Gift und Galle, als sie an dem rasselnden Metall zerrte.
»Das war notwendig«, sagte Lena Lindberg. »Zu Ihrer eigenen Sicherheit.«
»Pfui Teufel«, sagte Alice Nordin. »Wir sind hier die Opfer, haben Sie das nicht geschnallt? Wir sind keine Verbrecher.«
»Und deshalb dürfen Sie also eine Polizistin schlagen?«
»Sie waren diejenige, die mich geschlagen hat.«
»Reine Notwehr. Aber das ändert sich jetzt vielleicht ein bisschen.«
»Was denn? Wollen Sie mich umbringen oder was?«
»Vier coole Mädchen und Jocke Bergsten. Was passiert?«
»Sie dürfen nicht …«
»Ich darf alles«, sagte Lena Lindberg. »Und ich hoffe, dass Sie inzwischen davon überzeugt sind, dass ich auch alles tun werde. Ich will Ihre Freundinnen retten, auch wenn Sie alles tun, um sie zu töten. Hassen Sie sie so sehr? Waren sie schlanker als Sie? Hübscher? Cooler? Ist dies hier Ihre Rache?«
»Wir haben unsere Strafe verdient.«
»Was sagen Sie da?«
Alice Nordin verstummte. Lena Lindberg schwieg ebenso. Sie sahen sich an. Zwischen ihnen lag ein Spannungsfeld, ein elektromagnetisches Feld aus Hass.
»In all den Jahren seit dem Gymnasium haben Sie also auf die Rache gewartet? Sie haben gewusst, dass sie kommen würde? Was haben Sie getan?«
»Es war Matildas Idee …«
Sagte Alice Nordin und brach zusammen.
Matilda Broman saß ruhig da und beobachtete ihr Gegenüber auf der anderen Seites des Tisches. Sie schien die Situation zu genießen. Sie hatte die Kontrolle, sie bestimmte.
Und tatsächlich konnte Sara Svenhagen nicht das Geringste daran ändern.
So war es.
Sara strich sich über den Bauch und dachte an Heteronormalität. Es fühlte sich besser denn je an, dieser Kategorie anzugehören. Dabei hatte sie dem ganzen Phänomen immer mit einer gewissen Skepsis gegenübergestanden. Sie hatte geglaubt, dass ihre Zeit bei der Einheit für Kinderpornografie bei der Reichskriminalpolizei ihr Vertrauen zu Männern und zur Liebe gründlich zerstört hätte. Aber sie hatte die Zweifel überwunden.
Das hatte Matilda Broman eindeutig nicht.
Die Vergangenheit verfolgte sie jeden Tag.
»Sind Sie jemals glücklich?«, fragte Sara.
Matilda Broman schüttelte den Kopf und sagte: »Nein.«
Da klingelte das Handy. Sara hörte nur zu. Sie sagte kein Wort. Aber es spiegelte sich in Matildas Blick, dass mit Sara etwas vorging, dass in Saras Augen etwas aufflammte. Denn gleichzeitig erlosch etwas in Matilda Broman.
»Dann ist ja alles klar«, sagte Sara. »Alice hat alles erzählt.«
Matilda schwieg. Ihr Blick war finster.
Sara fuhr fort: »Es war am Ende des dritten Jahres. Sie vier, angeführt von Ihnen, haben Jocke Bergsten in ein dunkles Lager gelockt. Dort haben Sie ihn gefesselt und ausgezogen. Er hat sich wild gewehrt. Schließlich lag er nackt da.«
»War das alles, was Alice erzählt hat?«
»Ihr geht es im Moment gerade nicht besonders gut«, sagte Sara. »Sie wird bald den Rest erzählen. Also können Sie genauso gut die Lücken ausfüllen.«
»Wir hatten eine Prostituierte bezahlt«, sagte Matilda ziemlich unberührt. »Sie sollte dafür sorgen, mit allem, was sie draufhatte, dass der arme Jocke in Fahrt kam. Wir wollten sehen, ob Leben in ihm steckt.«
Sara betrachtete sie. Sie wusste nicht so recht, was sie fühlte. Erleichterung? Vielleicht. Doch, sicher war es Erleichterung. Darüber, dass sich alles zusammenfügte. Darüber, dass die Witterung sich als richtig erwiesen hatte, dass die Polizeiinstinkte funktionierten.
Aber sie spürte auch eine gewisse Enttäuschung. Über die relative Voraussagbarkeit der Dinge.
»Und Sie bleiben weiter dabei, dass Sie die Person auf den Fotos nicht erkennen?«, fragte sie.
»Ja«, sagte Matilda. »Dabei bleibe ich entschieden. Aber es sind viele Jahre vergangen. Menschen können sich verändern.«
»Und was geschah dann?«
»Na ja, sie brachte ihn ziemlich schnell auf Touren. Jocke war vielleicht Jungfrau, aber es war nicht das erste Mal, dass er einen Ständer bekam.«
»Und was taten Sie?«
»Wir standen um sie herum und applaudierten und jubelten. Er machte es ziemlich gut, nicht zuletzt, wenn man die Erfahrungen bedenkt, die man später gemacht hat. Wir gingen
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