Bußestunde
Eines davon reichte er Kerstin Holm. Den Rest behielt er.
Kerstin Holm las: »Keine anderen Lokalitäten registriert oder verbunden mit JB. Gunnar.«
»Die Expertin hier draußen meint, dass Tiina durchaus JB sein kann. Lena.«
»Habe Leute zum Midsommarkransen geschickt, um den Lieferwagen zu holen. Dürfte bald von Kriminaltechnikern wimmeln. Arto.«
»Wir haben eine Expertin draußen«, sagte Kerstin und zeigte auf den großen Spiegel. »Sie ist der Ansicht, dass Sie diese Person sehr wohl sein können. In der Rolle der Mörderin Tiina Spinroth.«
»Sie sind ja nicht ganz gescheit«, sagte Joakim Bergsten und schob die Fotos angeekelt von sich.
»Sie haben gesagt, die hätten Sie kaputt gemacht«, erinnerte Sara. »Sie haben Ihre Sexualität zerstört, nicht wahr? Jetzt sind Sie gezwungen, Rollen zu spielen, um zu genießen.«
»Vorher hatten Sie ein ganz normales Verhältnis zu Sex«, sagte Kerstin Holm. »Sie waren vielleicht mit achtzehn noch Jungfrau, aber das ist nichts besonders Ungewöhnliches, nicht einmal heute, wo man glaubt, sexuelle Hemmungen gehörten der Vergangenheit an. Sie haben onaniert, Sie hatten ein gutes Verhältnis zu Ihrem Körper. Es war nichts Merkwürdiges daran. Aber dann kam diese Geschichte, und damit verschwand auch dieses bisschen aus Ihrem Leben.«
»Sie können es zurückgewinnen«, erklärte Sara Svenhagen. »Es müssen nicht Gewalt und Grausamkeit sein, die Ihre Lust anfachen.«
»Das facht meine Lust wirklich nicht an.«
»Ich glaube leider, dass es doch so ist.«
»Erzählen Sie, was damals passiert ist«, sagte Kerstin Holm. »Alles wird danach viel einfacher. Hanna Hörnblom, Lisa Jakobsson, Matilda Broman, Alice Nordin, eine einsame Lagerhalle und noch eine Person. Wie haben die Sie dahinbekommen?«
»Sie haben mich gefragt«, sagte Joakim Bergsten.
»Sie haben Sie gefragt?«
»Sie fragten, ob ich kommen wollte.«
»Wie denn?«
»Sie fragten, ob ich davon gehört hätte, was mit Anders Koskinen passiert war, und ob ich etwas Ähnliches probieren wollte.«
»War das wirklich ein verlockendes Angebot?«
»Damals dachte ich das. Aber ich habe nie in meinem Leben einen Entschluss so bereut wie diesen.«
»Was war denn so verlockend daran?«
»Sie waren wahnsinnig hübsche Mädchen.«
»Nur das?«
»Das galt nicht nur für einen verschwitzten Achtzehnjährigen. Sie entsprachen exakt der Vorstellung von einem wahnsinnig hübschen Mädchen, alle vier, und das wussten sie. Das wussten sie wirklich.«
»Das Standardmodell?«
»Ich hatte keine Vergleichsmöglichkeit. Wie hätte ich eine Alternative kennen sollen?«
»Und was geschah dann?«
Joakim Bergsten verstummte. Er verstummte abrupt und durchbohrte mit seinem Blick den Tisch. Es sah aus, als habe er einen Röntgenblick. Einen Röntgenblick wider Willen.
»Kann ich diese Frage etwas aufschieben?«, fragte er schließlich.
Sara und Kerstin sahen sich an, aber als sie Jorges Blick suchten, waren dessen Augen fest auf die Papiere auf seinem Schoß gerichtet.
»Wir machen eine Pause von fünf Minuten«, sagte Kerstin Holm und stand auf.
Sara Svenhagen stand ebenfalls auf und fragte: »Möchten Sie etwas trinken, Joakim? Kaffee? Wasser?«
»Gern ein bisschen Wasser«, sagte Joakim Bergsten leise.
Kerstin und Sara verließen die beiden Männer und gingen in den Nebenraum. Dort standen sie alle. Arto Söderstedt und Gunnar Nyberg, Lena Lindberg und Jon Anderson. Und sie starrten gebannt auf die durchlässige Seite des venezianischen Spiegels.
»Was glaubt ihr?«, fragte Kerstin Holm.
»Schwer zu sagen«, meinte Arto Söderstedt. »Natürlich kann er einer sein, der explodiert. Ein ruhiger, feiner Typ mit einem Wahnsinnstemperament. Natürlich kann er sein ganzes Leben lang auf diesen Augenblick gewartet haben. Die Stunde der Rache. Natürlich kann das Fass übergelaufen sein. Aber im Moment kommt mir das ziemlich unwahrscheinlich vor.«
»Ich glaube trotzdem, dass er schuldig ist«, sagte Gunnar. »Aber ich habe ja immer mal andere Ansichten als ihr. Ich glaube wirklich, dass er ein Doppelleben führt. Vielleicht ist es sogar denkbar, dass Joakim und Tiina gar nicht richtig in Kontakt miteinander sind. Aber sie sind dennoch dieselbe Person.«
»So sicher bin ich mir nicht«, erklärte Lena Lindberg. »Aber ich habe nichts, worauf ich mich berufen kann. Es ist ein Gefühl, und ich formuliere das jetzt einmal politisch inkorrekt. Er hat einfach nicht die Eier, um es zu tun.«
»Der Kerl ist ein
Weitere Kostenlose Bücher