Bußestunde
tonlos.
»Oder es ist ein sehr raffinierter Versuch von Joakim Bergsten, uns zu täuschen«, sagte Chavez. »Das altbekannte Der-Nachbar-war’s-Syndrom in einer upgegradeten Version. Wie sollte dieser Nachbar an Ihr WEP-Passwort kommen?«
»Ich weiß es nicht«, gab Bergsten zu. »Auf digitalem Weg lässt sich so etwas nicht knacken.«
»Haben Sie es irgendwo aufgeschrieben?«
Bergsten blinzelte, und er blinzelte ziemlich heftig. Ungefähr so, wie wenn sich Kontaktlinsen selbstständig machen und von der unbeleuchteten Rückseite des Augapfels auf dem Weg ins Gehirn sind.
»Aber dann muss er in meiner Wohnung gewesen sein …«
»Er?«
»Das WEP-Passwort hat sechsundzwanzig Zeichen. Die prägt man sich nicht so ohne Weiteres ein. Ich habe das Passwort auf dem Rand meiner Tastatur notiert.«
»Oder Sie lügen uns an«, sagte Chavez sachlich.
»Nein!«, rief Bergsten aufgebracht. »Jemand war in meiner Wohnung, um sich in mein drahtloses Breitband einzuloggen. Komisch. Ein Nachbar? Ich kenne keine Nachbarn.«
»Los jetzt.« Kerstin Holm nickte ihrer Kollegin in dem angrenzenden Raum zu und betrat dann wieder den Vernehmungsraum, Sara Svenhagen im Schlepptau.
Weder Chavez noch Bergsten schienen sie zu bemerken. Lautlos glitten die beiden Frauen auf ihre Plätze.
Kerstin sagte: »Joakim Bergsten, Hanna Hörnblom, Lisa Jakobsson, Matilda Broman, Alice Nordin, eine verlassene Lagerhalle und eine weitere Person. Was passierte?«
»Wo bleibt mein Wasser?«, fragte Joakim Bergsten.
Kerstin Holm schnitt eine Grimasse und winkte zum großen Spiegel hin. Nach nur einer halben Minute erschien Jon Anderson mit einem Glas Wasser.
Wo hat er nur das Glas her?, dachte Kerstin, nahm es entgegen und reichte es Joakim Bergsten.
Er trank, als befände er sich in der Wüste, als sei sein gesamtes System von unmittelbarer Austrocknung bedroht. Als das Glas leer war, sagte er mit unerwarteter Deutlichkeit: »Sie spielten mit mir. Sie waren Monster. Weibliche Teufel. Als ich in den Raum trat, überfielen sie mich. Sie zogen mich aus. Schließlich war ich nackt, und sie jubelten. Sie juchzten und klatschten Beifall. Ich lag nackt da, und sie schrien, dass ich Sex haben sollte. Sie brüllten, dass gleich noch eine käme, noch ein Mädchen, und sie werde genauso nackt sein wie ich. ›Es wird Zeit, dass du ihn hochkriegst, Jocke!‹, schrien sie. Und sie binden mir die Hände auf den Rücken und berühren meinen Penis, und sie sind furchtbar, grausam, brutal sexy, während sie um mich herumtanzen und grölen, und sie massieren meinen Penis, so ein bisschen hart, wie ich es liebe. Und dann führen sie ihn in das fünfte Mädchen ein, und sie ist wirklich genauso nackt wie ich …«
Kerstin Holm seufzte und fragte: »Wussten Sie, dass sie eine Prostituierte war?«
Joakim Bergsten sah auf. Sein Blick war vollkommen nackt.
»Aber es war gar keine Prostituierte«, sagte er. »Es war ja Ulla, die Ärmste. Und ich habe sie gevögelt, obwohl sie nicht wollte. Ich habe gemerkt, dass sie nicht wollte. Sie schrie und wehrte sich. Ihre Augen waren geweitet vor Entsetzen. Aber ich war so wahnsinnig geil. Und die schlanken, sexy Mädchen schrien und stachelten mich an.«
»Ulla, die Ärmste?«, fragte Kerstin Holm.
»Die Größte in der Klasse«, sagte Joakim Bergsten, »Ulla Johansson, die Ärmste.«
36
Diesmal geht es ziemlich leicht, die Koffer im Auto zu verstauen. Als wärst du stärker geworden durch die Sache.
Eine ausgefallene Form von Krafttraining, denkst du und schlägst die Tür des grauen Lieferwagens zu. Du gehst um den Wagen herum und schaust auf die Stelle, wo das Nummernschild sitzen sollte. Du trittst locker dagegen und steigst dann hoch auf den Fahrersitz.
Du gönnst dir einen Moment Pause, bevor du den Motor anlässt, und greifst zum Handy und wählst eine Nummer. Dann tippst du eine Ziffernserie ein und schließt mit der Raute ab.
Der Teleturm wechselt die Farbe, von einem albernen bunten Schein zu Hellrot.
Du lächelst, und dir wird bewusst, dass du ihn zum letzten Mal siehst.
Dann fährst du davon.
Du bleibst auf der E 4, an Norrtull vorbei, dann Haga Norra, Järva Krog und Ulriksdal, Helenelund und Tureberg und Häggvik, schließlich Rotebro und Bollstanäs, und bei Upplands-Väsby biegst du ab.
Home sweet home, denkst du, und du spürst, dass dein Lächeln nicht ganz normal ist.
Du spürst es wirklich.
Du fädelst dich in den großen Kreisverkehr über der Autobahn ein und nimmst anschließend ein paar
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