Bußestunde
gegenwärtigen Zeitpunkt könnt ihr nur eines tun.«
»Und das wäre?«
»Löst jetzt diesen verdammten Serienmörderfall, und macht es mit Bravour. Beweist allen Beteiligten, wie unglaublich viel schlechter das gesamte schwedische Polizeiwesen dastände, wenn man die Sondereinheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter bei der Reichskriminalpolizei nicht hätte. Das ist alles, was ich dir raten kann.«
Kerstin Holm verließ ihn. Pfui Teufel, was für ein Tagesanfang. Als ob die erschreckende Nachricht über Paul Hjelms Tochter, die sie gestern Abend erreicht hatte, nicht schon genug wäre – sie fragte sich kurz, wie es Tova wohl ging. Und jetzt noch dies … Und sie, die Geheimniskrämerei hasste, sie war jetzt gezwungen, das Wissen um die bevorstehende Auflösung der A-Gruppe monatelang mit sich herumzuschleppen, ohne es mit jemandem zu teilen.
Sie ging auf direktem Weg zur Kampfleitzentrale. Ohne eine Miene zu verziehen, trat sie ans Katheder und betrachtete ihre Mitarbeiter. Es gab keinen Zweifel an ihrem Enthusiasmus. Etwas Großes war aufgetaucht, und keiner von ihnen wollte es verpassen. Dies war genau das, wofür sie gemacht waren.
Und bald war das Märchen zu Ende.
Sie hatte es so satt zu trauern. Oder wie man das, was sie tat, nun bezeichnen wollte.
»Also dann«, sagte sie. »Was in aller Welt war gestern eigentlich los?«
»Wir haben Dr. Mrs Nora Higgins geschnappt«, sagte Arto Söderstedt. »Ich nehme an, das willst du hören.«
»Selbstredend«, sagte Kerstin Holm zufrieden.
»Zwei Brüder in Täby Kyrkby, sechzehn und siebzehn Jahre alt. Zusammen haben sie an die dreißig Millionen Kronen ergaunert, die sie umgehend beim Internetpoker verspielten.«
»Sie waren nicht wenig verblüfft, als wir auftauchten«, fügte Gunnar Nyberg hinzu. »Und nicht zuletzt, als ein kerniger Held vor ihrer Haustür stand, der gerade erst von drei Kugeln aus einer MP in die Brust getroffen worden war.«
»Ich spüre immer noch einen kräftigen Druck im Brustkorb«, erklärte Söderstedt.
»Es sieht so aus, als würden die Burschen vor den Europäischen Gerichtshof gebracht«, sagte Nyberg. »Sie haben Leute in ganz Europa hereingelegt. Das kann die Eltern teuer zu stehen kommen. Ich vermute, dass die Stimmung heute Morgen am Frühstückstisch nicht die allerbeste war. Die Mutter arbeitet im Übrigen bei einer Bank.«
»Durch die Mutter sind sie erst auf die Idee gekommen«, berichtete Söderstedt. »Sie hat vor drei Jahren beim Abendessen einmal über die Verzögerungen bei der Bank geklagt, über die Zeitspanne zwischen dem Datum der Gutschrift und dem Wertstellungsdatum. Den Jungen zufolge sagte sie sogar: ›Früher oder später erkennt irgendein Genie, wel-che Möglichkeit zur Manipulierung der Spielregeln darin steckt.‹ Woraufhin die Gebrüder Bieber vielsagende Blicke wechselten und den Grundstein für ihre kriminelle Karriere legten.«
»Ich dachte, wir wären die Gebrüder Bieber!«, rief Jorge Chavez forsch.
Gunnar Nyberg warf seiner Chefin einen empörten Blick zu.
Kerstin Holm zuckte nur etwas mehrdeutig mit den Schultern und sagte: »Alle erinnern sich doch wohl an Die Welt der Fabeln ?«
»Die Gebrüder Bieber, die verängstigt in ihrem Zimmer sitzen und es nicht ertragen können, wenn ein bisschen Wind weht«, erklärte Chavez bissig.
»Damit ist es jetzt auf jeden Fall vorbei«, konstatierte Kerstin Holm. »Der Fall mit den Brüdern – wie hießen sie noch …?«
»Bieber«, nervte Chavez.
»Lindfalk«, sagte Söderstedt.
»Der Fall mit den Brüdern Lindfalk wird an Europol in Den Haag abgegeben, und die Überfälle an Geldautomaten werden der Stockholmer Polizei übertragen. Und zwar mit sofortiger Wirkung. Also können wir uns jetzt mit allen verfügbaren Kräften auf das konzentrieren, wovon Sara uns nun mehr berichten wird.«
»Ich schlage vor, dass Lena das macht«, sagte Sara. »Ohne ihren Instinkt wäre uns nicht nur dies alles durch die Lappen gegangen, sondern Paul Hjelms Tochter wäre auch eines der Opfer.«
»Und was ist jetzt ›dies alles‹, Lena?«, fragte Kerstin Holm entgegenkommend.
Lena Lindberg blickte ein wenig überrascht auf ihre Kollegin und begann dann: »Dem Bericht des Kriminaltechnischen Labors von heute Morgen zufolge dürfen wir offiziell noch nicht von einem Serienmörder sprechen, weil keine Todesopfer gefunden worden sind. Aber in der Wohnung in der Jungfrugatan gab es Blut, und nicht gerade wenig, nämlich von vier verschiedenen
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