Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
alles gegen sich selbst gekehrt und sich selbst bestraft hatte. Auf diese verfluchte weibliche Art. Sie steckte jede Menge Prügel von diesem Aas Johnny Stensson ein – und bestrafte sich selbst damit, dass sie anorektisch wurde.
    Warum sind wir so verdammt idiotisch?
    Lena Lindberg schlug die Mappe auf und betrachtete die Bilder aus dem Lill-Jansskog und aus dem Obduktionssaal. Åsa Karlsson war wirklich dünn wie ein Strich. Schwer unterernährt schon vorher – und dann drei Wochen Folter, in denen Essen kaum eine Rolle spielte. Sie betrachtete ihr Gesicht. Es war so sonderbar lieb. Und gleichsam friedlich.
    Endlich Frieden.
    Noch eine Fotografie tauchte auf. Åsa Karlsson als Abiturientin. Mit der Studentenmütze auf dem Kopf und einem Sonnenscheinlächeln in dem schon damals schmalen Gesicht.
    Da brachen die Dämme.
    Lena Lindberg stand im Korridor des Stockholmer Polizeipräsidiums und weinte. Leise und kurz und intensiv.
    Doch dann war es genug. Sie nahm ihr Handy und gab eine Nummer ein.
    Nach langem Klingeln wurde abgenommen: »Ja, hier Sara?« Mit dem üblichen Fragezeichen am Schluss.
    Lena wischte ihre Tränen ab, lächelte und dachte für einen Augenblick an die große Schwesternschaft. Dann sagte sie: »Ich sehe mir gerade Bilder von Åsa Karlsson an.«
    »Grässlich?«
    »Unerträglich. Vor allem, wenn man daran denkt, dass sie nur eines von den vielen Opfern ist, die wir bestimmt bald finden.«
    »Mir reicht es allmählich mit der Gewalt gegen Frauen«, sagte Sara Svenhagen. Sie war wieder in der Filiale der Handelsbank in der Vasagatan. In dem kleinen Hinterzimmer vor einem Stapel exakt gekennzeichneter Überwachungsfilme.
    »Was tust du?«, fragte Lena Lindberg.
    »Ich habe sie gleich«, sagte Sara Svenhagen.
    »Was?«
    »12. Mai«, sagte Sara. »Ich bin gemeinsam mit dem Bankdirektor, oder wie man ihn nennen soll, die Auszüge durchgegangen. Tiina Spinroth hat drei Bareinzahlungen gemacht. Sie bezahlte ihren Provider für die Registrierung der Domain www.thinspiration.se, sie bezahlte denselben Anbieter für einen reichlich bemessenen Serverplatz, und gleichzeitig bezahlte sie für die Annonce in der Zeitschrift Deine Gesundheit. Das war am Freitag, dem 12. Mai, um 13.39 Uhr. Und da bin ich gleich. Auf den Überwachungsfilmen.«
    »Wahrscheinlich tritt wieder nur der Diener Johannes auf und spielt sein Spielchen.«
    »Die Gefahr besteht«, sagte Sara, »aber es ist doch wahrscheinlicher, dass sie Johannes Åkerblom noch gar nicht engagiert hat. Sie hat die Wohnung erst seit zwölf Tagen.«
    »Jetzt machst du mich richtig neugierig.«
    »Auf dem Film ist es jetzt 13.35 Uhr. Ich lass es etwas schneller vorlaufen.«
    Sara klickte mit der Maus. Die Leute liefen hysterisch durch das Foyer der Bank. Vermutlich war der Mittagsandrang noch nicht vorbei.
    Die Uhrzeit in der linken unteren Ecke des Bilds sprang von 13.36 auf 13.37, dann 13.38.
    Da hielt Sara den Film an. Sie ließ ihn extra langsam weiterlaufen, immer noch mit dem Handy am Ohr.
    Die Zeitangabe sprang wieder um. Eine groß gewachsene Frau trat ins Bild. Sie sah ziemlich eigenartig aus, trug kräftige Farben in diversen Rosanuancen, einen komischen kurzen rosa Tüllrock und eine üppige gelbe Lockenfrisur.
    Von ihrem Gesicht sah man nicht viel. Ihr Blick war nach unten gerichtet, auf eine Anzahl Hundertkronenscheine, die sie langsam abzählte.
    »Ich sehe sie jetzt«, sagte Sara atemlos.
    »Nun erzähl schon!«
    »Das ist gar nicht so leicht.«
    Schließlich waren die Hunderter abgezählt. Der Bankangestellte schnappte sich das Geldbündel und verschwand damit.
    Da hob die seltsame Erscheinung den Blick, bis sie direkt in die Überwachungskamera starrte. Sie war übertrieben geschminkt, ungefähr wie eine schlampige fünfzehnjährige Gothic-Braut, und die Schminke war ebenso farbenfroh wie schlecht aufgetragen.
    Es sah aus wie eine Maske.
    Dann hob die Frau langsam beide Hände zur Kamera. Die Hände waren zu Fäusten geballt. Und jetzt ließ sie einen Finger nach dem anderen aus der Faust treten, als ob sie zählte. Am Ende hielt sie beide Hände hoch, spreizte acht Finger mit rosa Fingernägeln und zeigte sie gleichsam demonstrativ der Kamera.
    Anschließend schenkte Tiina Spinroth Sara Svenhagen ein strahlendes Lächeln.

15
    Du siehst dein strahlendes Lächeln, wie es sich vor dem Turm abzeichnet. Es ist, als ob der Turm lächelte. Wenn du ein paar Schritte zur Seite gehst, schwebt dein Gesicht, dein grässliches, schlecht geschminktes

Weitere Kostenlose Bücher