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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Gesicht neben dem Turm. Und jetzt lächelt es nicht mehr.
    Es ist schon lange her, seit du angefangen hast, von dir selbst in der zweiten Person Singular zu denken. Alles wird einfacher so, das weißt du.
    Du kannst dich selbst nicht anders nennen als »du«.
    Das passt dir ausgezeichnet.
    Der Computer steht auf der Fensterbank. Der Turm ist auch da. Du kannst ihn live sehen. Das macht richtig Spaß hier. Colour by Numbers heißt es. Es ist ein Kunstwerk. Ein interaktives Kunstwerk. Du hast im Internet davon gelesen.
    Der Turm ist mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Damals wurde er für Experimente mit Mikrowellentechnik für LM Ericsson gebaut. Aber es ging weniger darum, wofür er benutzt wurde, als was er sagte. Er sagte: Hier sind wir, die Technologie der Zukunft. Schweden war führend auf dem Gebiet der Telekommunikation, und ein ganzer Stadtteil entstand um die neue Telefonfabrik herum. Alles, was rundherum gebaut wurde, war für die Angestellten des neuen, zukunftsorientierten Unternehmens gedacht. Und der Turm stand da wie ein Zeigefinger und zeigte in Richtung der schönen neuen Welt, die in dem in jener Welt führenden Land geschaffen werden sollte.
    Aber auf einmal hatte der Turm keine Funktion mehr. Heute sitzt der Finger an keinem Körper mehr. Heute steht er einfach nur da.
    Bis ein paar Künstler auf die Idee kamen, ihn zu nutzen.
    Man steuert es selbst. Man steuert es mit dem Handy. Deshalb stehst du da, mit dem Handy am Ohr, und wartest.
    Die Fenster sind gerade von bunten Farben erleuchtet. Eine wilde Mischung aus Rot, Grün und Blau. Es gefällt dir nicht. Jemand anders steuert in diesem Moment den Turm, vielleicht sitzt er oder sie in einer Nachbarwohnung und guckt in diesem Moment nach draußen und bewundert seine geschmacklose Wahl. Vielleicht sitzt er oder sie in Kiruna und betrachtet sein Werk live im Internet.
    Aber jetzt ist es auf jeden Fall vorbei. Du bist an der Reihe. Das teilt dir das Handy mit, und du weißt, was du tun musst.
    Zuerst wählst du mithilfe der Tasten 0 bis 9. Das oberste Stockwerk ist 0, das unterste 9. Am Ende drückst du #, die Raute.
    Du drückst 123 456 789#. Die Farben, die in diesen Fenstern aufleuchten, werden jetzt gleichzeitig gesteuert. Jetzt bestimmst du die Farben. Mit den Nummerntasten des Handys sollst du jetzt Rot, Grün und Blau mischen, bis du die gewünschte Farbe erhältst. 1 bis 3 ist rot, 4 bis 6 ist grün, 7 bis 9 ist blau. Höhere Ziffern ergeben stärkere Farben.
    Du gibst nur 3 ein. Nur die Ziffer 3. Und schließt ab mit der Raute.
    Vor dem Fenster ändert der Turm die Farbe. Alle neun Stockwerke werden rot. Der ganze Turm leuchtet rot.
    Und es ist dein Werk. Du färbst die Welt rot.
    Du stehst ein paar Minuten da und betrachtest den rot erleuchteten Turm. Bis das klare Rot wieder von blasser, nichtssagender Buntheit abgelöst wird. Jemand anders hat übernommen.
    Da wendest du dich vom Fenster ab und kehrst zurück in die leere, dunkle Wohnung. Du gehst zu einer der Türen. Du schließt sie auf und schaust hinein. Schwaches Licht fällt in das kleine, leere Schlafzimmer. Nur mit Mühe erkennst du sie, wie sie da in einer Art Embryonalstellung auf dem Fußboden liegt. Sie ist so unglaublich schmal.
    Das Silbertape über dem Mund sitzt, wie es soll. Die Lederriemen um die Hand- und Fußgelenke ebenfalls.
    Du wunderst dich darüber, dass sie es schafft zu schlafen.
    Sie wirst du schonen. Du wirst sie lange schonen. Sie hat den Vorteil, zu wissen, warum.
    Warum dies alles geschieht.
    Dann schließt du die Tür und gehst in den Flur. Du schließt die nächste Tür auf. Hier ist es noch dunkler.
    Sie schläft nicht. Sie kann nicht schlafen.
    Du trittst zu ihr. Die Tränen rinnen hinunter auf das Silbertape. Du blickst in ihre dunklen Augen. Darin siehst du den Tod.
    Und du findest es gut.
    Du weißt ja, dass du es tust.
    Du rührst an den stramm gespannten Lederriemen unterhalb ihrer Schulter. Dies war nicht beabsichtigt. Sie ist selbst schuld.
    Dann legst du die Hand an den Verband. Er ist wieder durchgeblutet. Der Verband sitzt da, wo ihr Arm sein sollte.
    Du streichst langsam über das rabenschwarze Haar. Und du siehst in ihrem Blick, dass sie weiß, dass die Zeit gekommen ist.
    Sie weiß, dass die Zeit gekommen ist.
    Du löst die Lederriemen um ihre Füße und richtest sie auf. Sie kann kaum stehen. Du musst sie fast hinaustragen ins Wohnzimmer, wo der neue Arbeitstisch steht. Er ist bisher erst zweimal benutzt worden, je einmal für beide.
    Du

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