Bußestunde
haben eine Vorabinformation bekommen«, sagte Jorge Chavez. »Das ist der große Vorteil, wenn man der Schwiegersohn des obersten Kriminaltechnikers ist.«
»Oder möglicherweise seine Tochter«, ergänzte Sara ungerührt und fuhr fort. »Es geht bekanntlich um vier DNAs aus der Wohnung und eine im Treppenhaus. Trotz weiterer Untersuchungen der Techniker ist kein anderes genetisches Material gesichert worden. Was den Schluss nahelegt, dass die Person mit dem hübschen Namen Tiina Spinroth, die wahrscheinlich vier Monate dort verbracht hat, weiß, wie man eine Wohnung putzt. Und da meine ich putzen in der striktesten Bedeutung des Wortes.«
Sara Svenhagen machte eine kurze Pause, blickte sich in der mucksmäuschenstillen Kampfleitzentrale um und fuhr fort: »Die Opfer heißen der Reihe nach Åsa Karlsson, Louise Strömberg, Marisa Santos und Lisa Jakobsson. Åsa Karlssons DNA hatten wir schon hier, weil Karlsson tot aufgefunden wurde; sie ist das Opfer im bis vor Kurzem sogenannten Mittsommermord. Louise Strömberg, allem Anschein nach Opfer Nummer zwei, wohnte in einem kleinen Ort mit Namen Verveln in Östergötland, nicht weit von der Grenze zu Småland, zwischen Kisa und Vimmerby. Im Laufe des gestrigen Tages haben die Leute vom Kriminaltechnischen Labor Louise Strömbergs Wohnung in Verveln durchsucht und dabei eine DNA sichergestellt, die mit der in England identifizierten übereinstimmt. Diese Art von Abgleichungen können wir offenbar auch in Schweden machen. Louise Strömberg war zum Zeitpunkt ihres Verschwindens den übereinstimmenden Aussagen von Nachbarn zufolge stark unterernährt.«
»Was für eine Überraschung«, sagte Gunnar Nyberg.
»Ihre Reiseroute am Donnerstag, dem 22. Juni, ist von der Bahn bestätigt worden. Kurz nach vier am Nachmittag nahm sie die Küstenbahn von Vimmerby, stieg in Linköping um und kam um 19.40 Uhr mit dem X2000 am Hauptbahnhof in Stockholm an. Kurz nach acht befand sie sich im Videoladen in der Jungfrugatan und wurde um 20.07 Uhr von der Handynummer angerufen, die nur fünfmal benutzt worden ist. Ihr weiteres Schicksal ist ungeklärt, doch die Kriminaltechniker gehen davon aus, dass eineinhalb Liter ihres Bluts auf den sogenannten ›Arbeitstisch‹ in Tiina Spinroths Wohnung in der Jungfrugatan geflossen sind.«
»Louise Strömberg fuhr also von Virveln nach Stockholm, nur um das Superabmagerungsmittel Anamagica zu kaufen?«, fragte Kerstin Holm.
»Verveln«, korrigierte Arto Söderstedt. »Der Schriftsteller Olle Hedberg hat da gewohnt. Falls jemand sich an ihn erinnert. Der Mann, der nie lächelte.«
»Wo wollte sie in Stockholm wohnen?«
»Das wissen wir nicht«, sagte Sara Svenhagen. »Aber sie fuhr mit dem Fahrrad von Verveln nach Vimmerby. Volksheim-Anorektikerin auf dem Fahrrad. Dann haben wir noch etwas ganz anderes, und ich vermute, dass Arto jetzt die Ohren spitzt.«
»Meine Ohren sind viel spitzer, als die Leute glauben«, murmelte Arto Söderstedt abwesend.
»Ich weiß«, sagte Sara in tröstendem Ton. »Das nächste Opfer ist nämlich so weit entfernt von einer Volksheim-Anorektikerin, wie man es nur sein kann. Die Frau, die sich bei der Kontaktaufnahme mit Tiina Spinroth Marisa Santos nannte, heißt eigentlich Armanda Carneiro und tritt recht häufig in europäischen Kriminalermittlungen in Erscheinung.«
»Europäischen?«, wiederholte Arto Söderstedt.
»Hab ich nicht gesagt, du solltest aufpassen?«
»Ich weiß«, sagte Arto Söderstedt in tröstendem Ton.
»Es sind ein paar spanische, ein paar französische, vor allem aber eine Reihe von portugiesischen Ermittlungen.«
»Ah«, sagte Arto und versank wieder in Schweigen.
»Armanda Carneiro ist Portugiesin aus Lissabon. Ihr Vater ist Portugiese, die Mutter stammt aus Mosambik. Sie ist mit anderen Worten Mulattin. Ich würde euch gern zwei Fotos von ihr zeigen.«
Sara Svenhagen stieg zum Katheder hinauf, auf dem der Computer stand. Nach zweimaligem Mausklicken erschien an der Wand ein fröhlich lächelndes braunes Mädchen von knapp zwanzig Jahren. Sie hatte eine breite Nase und sah mehr afrikanisch als europäisch aus. Sara klickte erneut mit der Maus und zeigte nun ein ganz anderes Bild. Es war, als ob es sich um eine andere Frau handelte. Die Nase war bedeutend schmaler, beinahe spitz, und die Haut hatte eine leicht gelbe Tönung.
»Hier ist noch ein drittes Bild«, sagte Sara und brachte es auf den Bildschirm. Es stellte eine Frau dar, die mit eleganter Geschmeidigkeit ein Bein über eine
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