Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
er stromern geht. In ihrem Rollstuhl. Er ist ein braver Kerl«, sagte Oma Inse.
»Haben Sie eigentlich Ihre Tochter nach Leer zur Polizei geschickt, als Steffi verschwunden war?«, wollte Elias wissen.
»Hab ich doch gar nicht mitgekriegt. Ich war ja die ganzen Tage mit Bartel beschäftigt – das ist mein Mann. Der ist bettlägerig und hat gerade ’nen wunden Steiß, da nölt er rum, und ich komm nicht von ihm weg. Boris hab ich wohl gesehen, der war hier wegen Eiersuchen. War ja Ostern. Aber Steffi … Na, die sitzt doch sowieso meistens vor der Flimmerkiste.«
Und Bärbel und Boris hatten gar nicht Alarm geschlagen? Elias machte sich gedanklich eine Notiz. Er hörte, wie Ulf mit Harm diskutierte und eine Hundertschaft forderte. Harm fuhr sich durch die Haare und sah genervt aus. Was Gitta, die danebenstand, dazu meinte, konnte er nicht verstehen.
Oma Inse lud Elias in die gute Stube des Altenteilhäuschens, wo sie ihm Tee brühte. Gitta und Bärbel waren ihre einzigen Kinder, erfuhr er, während sie Teetässchen auf den Tisch stellte und Kekse aus einer Porzellanschüssel holte. Gitta war eine prächtige Deern, die schaffte ordentlich was weg und hielt den Hof am Laufen. Obwohl sie manchmal ganz schön fertig war. Aber Bärbel … »Na, das haben Sie ja selbst gesehen.« Elias hatte den Eindruck, dass Oma Inse ihre jüngere Tochter nicht besonders mochte.
»Und Steffi?«
»Die kommt nach ihrer Mutter«, sagte Oma Inse. »Die hat nicht nur das mit der Hüfte, die ist auch geistig nicht richtig fit. Nee, wirklich.« Der Tee sprudelte aus der Kanne in das Tässchen. »Außerdem ist Steffi ewig am Heulen. Aber ist ja auch klar. Immer im Rollstuhl, und nur raus, wenn einen jemand fahren will. Wenn sie Langeweile kriegt, belatschert sie Boris. Nur hat der ja auch eigene Interessen.«
Verständlich. Und Oma Inse war mit dem Garten und Opa Bartel beschäftigt, und Gitta …
»An Gitta blieb am Ende alles hängen. Aber sie hat auch nur die Kraft von einem Menschen, obwohl sie rackert wie verrückt.«
»Klar«, sagte Elias und starrte auf den Tee, in dem bunte Kringel schwammen, als sei was vom Spülmittel in der Kanne geblieben. Er fragte sich, ob das den Geschmack eventuell verbesserte.
»Man schafft nur, was man schafft«, fuhr Oma Inse fort.
»Und Ihr Mann liegt die ganze Zeit im Bett?«
»Ist so. Schlaganfall mit fünfzig und komplett aus dem Verkehr gezogen. Da macht man was mit, sag ich Ihnen.«
Elias zog die Haftzettel raus und notierte sich alles, was er bis jetzt gehört hatte. Es war beunruhigend, wie schnell diese Dinge aus dem Gedächtnis verschwanden.
»Boris ist aber ein feiner Junge. Der ist blitzgescheit und willig«, sagte Oma Inse. »Der wird vielleicht mal den Hof übernehmen, in ein paar Jahren. Erst mal Gitta helfen, damit er lernt, wie’s geht, und dann macht er es selbst. Er hat ein Händchen für die Landwirtschaft. Woll’n Sie den Tee gar nicht trinken?«
Nein, aber Elias tat’s trotzdem. Das Spülmittel hatte den Geschmack erwartungsgemäß nicht verbessert. Als Oma Inse sich umdrehte, entsorgte er den Rest in den Fressnapf der Katze, der neben einem Ostfriesensofa stand. Dann ging er wieder hinaus. Harm telefonierte gerade mit dem Chef wegen der Hundertschaft, die das weitere Gelände absuchen sollte. Er forderte außerdem die Spurensuchhunde an, über die Aurich glücklicherweise verfügte. Auch den Leichenspürhund. Elias nickte beklommen.
Ulf kam zu ihm gestapft und wies mit einer weiten Geste über den Hof. »Siehste, das ist Ostfriesland. Hier biste noch auf Du und Du mit der Natur«, erklärte er mit einem gönnerhaften Grinsen, als habe er höchstpersönlich den Misthaufen angelegt und die Hühnerküken aus den Eiern gepellt. Dass in seinem echten und urwüchsigen Ostfriesland gerade ein junges Mädchen verschwunden war, konnte seine Zufriedenheit nicht stören.
Kurz vor Feierabend trafen sie sich im Leeraner Konferenzraum mit dem langen Tisch und dem Whiteboard quer über die Längsseite, besprachen ihre Erkenntnisse und verteilten die Aufgaben. Elias wollte sich Boris vorknöpfen.
»Warum denn gerade den Jungen?«, fragte Reinert, der Kollege mit der Fliege.
»Nur so«, sagte Elias. Die Sache mit dem buckligen Männlein war zu kompliziert, um sie zu später Stunde im großen Kreis zu erläutern, und vielleicht war ja auch gar nichts dran. Wahrscheinlich sogar, wenn man bedachte, dass Bärbel gar keinen Buckel gesehen hatte. Er hätte nur trotzdem gern noch einmal
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